Der letzte Weynfeldt (German Edition)
wiegelte ab. »Nicht gefälscht. Sagen wir: verdoppelt.«
Lorena winkte lachend ab. »Verdoppelt!« Sie trank ihr Glas leer.
Strasser legte den Katalog vor sie hin, nahm einen Drehbleistift aus der Jackentasche und zeigte damit auf eine Stelle des Bildes. »Siehst du hier, in der rechten Ecke des Salamanders, die Verzierung im Gusseisen?«
»Eine Knospe oder so.«
»Für mich sieht es aus wie ein kleiner Arsch.«
»Auch möglich. Ein kleiner Arsch«, räumte Lorena ein.
»Ein kleiner Arsch von links«, präzisierte Strasser. »Das ist der Vallotton von Vallotton. Jetzt zeige ich dir den Vallotton von Strasser.« Er winkte dem Barman, Lorena bezahlte, und sie gingen zurück in die Vorbesichtigung.
»Wir schließen in fünf Minuten«, sagte die Dicke beim Eingang.
»Wir brauchen nur vier«, antwortete Strasser.
Der Saal war jetzt leer bis auf eine ältere Frau mit einem Katalog voller gelber Klebenotizen. Sie stand vor dem Hodler mit den Telegrafenmasten und beachtete sie nicht.
Strasser führte Lorena nahe an den Vallotton heran. »Siehst du ihn, den kleinen Arsch?«
Lorena sah ihn.
»Und fällt dir nichts auf?«
»Etwas ist anders.« Sie strengte sich an, kam aber nicht darauf. Strasser gab ihr den Katalog zum Vergleich.
»Jetzt hab ich’s: die Perspektive.«
Strasser nickte stolz. »Auch ein kleiner Arsch, aber von rechts. Wie der große der Dame hier.«
Tatsächlich, die Verzierung im Eisenguss des Salamanders sah zwar ebenfalls aus wie zwei Pobacken. Aber im Gegensatz zu der auf dem Katalogtitel war von der rechten mehr zu sehen als von der linken. Wie beim knienden Modell.
»Ziemlich plump, nicht?«, sagte Strasser, »dass Adrian das nicht bemerkt hat.«
»Vielleicht hat er es.«
Sie sah sich die Signatur noch einmal genau an. Der Punkt nach Vallotton fehlte, wie auf dem Original in Weynfeldts Arbeitszimmer.
Dann verglich sie es mit dem Titelbild des Katalogs. Der Raster war fein und die Druckqualität hoch genug, dass sie auch da die Unterschrift gut erkennen konnte.
Auch hier fehlte der zweite Punkt.
Gleich nachdem sie Strasser losgeworden war, traf sie sich mit Pedroni im Old Scotsman, einer altmodischen Bar im etwas aus der Mode geratenen Vergnügungsviertel der Altstadt. Die Bar war getäfelt mit Paneelen, die mit den Webmustern aller schottischen Clans bespannt waren. Diese Dekoration besaß als Vorteil schalldämpfende, als Nachteil geruchsspeichernde Eigenschaften. Jetzt, am frühen Abend, roch es nach abgestandenem Rauch und der legendären Gulaschsuppe, wegen der die Nachtschwärmer die Nacht gerne hier ausklingen ließen.
Pedroni war der einzige Gast. Er saß weit weg vom Tresen an einem Ecktischchen und winkte sie etwas ungeduldig heran. Lorena hatte über eine halbe Stunde Verspätung.
Er empfing sie entsprechend muffig, aber Lorena ließ sich ihre gute, fast euphorische Stimmung nicht verderben.
Diese steigerte sich noch, als Pedroni ihr wortlos einen Umschlag über den Tisch schob, welcher, wie sie gleich darauf in der Damentoilette feststellte, sechzigtausend Franken enthielt.
Wenn Lorena gut drauf war, hielt sie es nicht aus mit Leuten, die sich nicht in der gleichen Verfassung befanden. Sie musste dann entweder andere Gesellschaft suchen oder die, in der sie sich befand, um jeden Preis aufheitern.
Im Fall von Pedroni tat sie es um den Preis einiger Umarmungen und Küsschen. Und der Geschichte vom doppelten Vallotton.
Als er sie vor Weynfeldts Wohnung ablud, war auch er fast euphorischer Stimmung.
30
»Jetzt!«, hörte er Lorenas Stimme durch die geschlossene Esszimmertür rufen.
Sie war an diesem Abend in sehr gelöster Stimmung zu ihm gekommen, sie hatten sich aus den Kühlschränken ein kaltes Abendessen zusammengestellt und es stilvoll bei Kerzenlicht und Kaminfeuer – Lorena hatte auf dem Kaminfeuer bestanden und es auch selbst in Gang gesetzt – gegessen und dazu Lorenas Lieblingschampagner getrunken. Sie hatte ihm von der Vorbesichtigung der Auktion erzählt und von der Begegnung mit Strasser. Und plötzlich hatte sie gesagt: »Geh schnell raus, und komm erst wieder, wenn ich es sage.«
»Ein Spiel?«, hatte er gefragt, und sie hatte genickt.
Er war lächelnd hinausgegangen, und sie hatte ihm nachgerufen: »Aber erst wenn ich sage: jetzt!«
Eine ganze Weile hatte er vor der Tür gestanden, bis er merkte, dass er immer noch das Lächeln auf den Lippen trug, mit dem er das Zimmer verlassen hatte. Diese Erkenntnis ließ es noch ein bisschen breiter
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