Der letzte Weynfeldt (German Edition)
zugezogen, davor und dazwischen reihten sich Ausstellwände, auch auf der großen Tanzfläche standen sie und bildeten ein Labyrinth aus Kunst.
Ein paar Leute gingen von Los zu Los und unterhielten sich im internationalen Museumsflüsterton.
Das erste Bild, das Lorena ins Auge sprang, war das Porträt von Weynfeldts Mutter. Mit »Varlin, (Willy Guggenheim) (1900–1977)« war es angeschrieben, und darunter stand: »Luise W., Mischtechnik (Öl und Kohle) auf Leinwand 1974, Schweizer Privatbesitz, CHF 80000 bis 120000«.
Sie blieb kurz davor stehen, nickte der alten Dame zu wie einer alten Bekannten und begab sich dann unter ihrem prüfenden Blick auf die Suche nach dem Vallotton.
Sie hatte ihn rasch gefunden. Er hing allein an einer Ausstellungswand im Zentrum des Saals, und zwei Herren, beide mit Notizbüchern bewaffnet, standen davor und machten sich Notizen.
»Félix Vallotton, (1865–1925), La Salamandre, Détrempe auf Karton, 1900, Privatbesitz, CHF 1200000 bis 1500000«.
Lorena wartete, bis die beiden Männer, die ganz nahe beim Bild standen, sich entfernten. Kaum hatten sie es endlich getan, kam ein Paar mittleren Alters, der Mann offenbar ein Kunstexperte. »Zwei Jahre nach Vallottons Tod von seinen Erben in Basel verkauft und seither ununterbrochen im Besitz dieses Käufers oder von dessen Erben.«
»Weshalb er es wohl plötzlich verkauft?«, wunderte sich die Frau.
»Vielleicht zu viele Erben. Geld kannst du teilen. Ein Bild nicht.«
»Na ja«, sagte die Frau abschätzig, »um das hier wäre es nicht allzu schade, wenn man es teilte.«
»Wie meinst du das?«, fragte der Mann entsetzt.
Lorena musste ein längeres Streitgespräch über perspektivisches Unvermögen versus weiblicher Torso als Phallussymbol abwarten, bevor sie endlich allein war und die Signatur aus der Nähe betrachten konnte.
Sie hätte sich nicht mit Strasser zu verabreden brauchen, das Original war leicht zu erkennen. Weynfeldt hatte den Punkt nach dem Nachnamen, den sie mit ihrem Lidstift gesetzt hatte, entfernt.
Weynfeldt, das Muttersöhnchen, hatte nicht die Courage gehabt, die Kopie in die Auktion zu geben, und Lorena um ihre Fünfzigtausend von Baier gebracht. Zusammen mit ihrem Anteil an den beiden letzten Aktionen wären das immerhin hundertzwölftausendfünfhundert gewesen. Damit wäre sie zum ersten Mal im Leben ein kleines bisschen unabhängig gewesen.
Wütend wandte sie sich um und wäre fast mit Strasser zusammengestoßen.
»Tut mir leid, wurde aufgehalten.« Er hatte eine Rotweinkruste auf der Unterlippe.
»Macht nichts, ich habe gesehen, was ich sehen wollte.«
Strasser sah an ihr vorbei zum Vallotton, ging ein paar Schritte auf das Bild zu, betrachtete es kurz und kam wieder zu Lorena. Um seine Lippen ein seltsames Lächeln.
Lorena musste ihre Wut an jemandem auslassen und sagte: »Jemand wollte Adrian eine Fälschung des Bildes unterjubeln, aber das ging in die Hosen. Sie war zu plump.«
Falls sie noch Zweifel daran gehabt hätte, ob Strasser wirklich der Autor der Kopie war, hätte er diese mit seiner Reaktion zerstreut. »Ach ja?«, stieß er schnippisch hervor. »Zu plump für das Expertenauge von Doktor Weynfeldt? So, so.«
Sie sah, wie es in ihm arbeitete, und verkündete: »Ich gehe jetzt in die Bar.«
»Die ist aber teuer.«
»Ich lade ein.«
Sie durchquerten die Lobby voller Teegäste und betraten die Bar aus hochglanzpoliertem Holz, in der bereits die ersten Cocktailgäste saßen. Sie nahmen eine mit grünem Leder ausgepolsterte Nische in Beschlag und bestellten. Lorena ein Glas Champagner, Strasser einen Black Label on the Rocks.
»So, so, zu plump«, sagte er, als die Drinks kamen. Und wiederholte es noch ein paarmal, bis er nach dem dritten Whisky fragte: »Kannst du ein Geheimnis für dich behalten?« Dabei legte er den Finger an die Lippen, was ihm nicht auf Anhieb gelang.
Auch wenn Lorena nicht genickt hätte, hätte er es ihr verraten. »Der Vallotton in der Ausstellung – der ist nicht von Vallotton.«
»Ach«, sagte sie und versuchte es desinteressiert klingen zu lassen.
»›La Salamandre‹ im großen Ballsaal ist eine plumpe Fälschung.«
»Woher willst du das wissen?«
»Ich bin der Einzige, der es wissen kann.«
Lorena tat, als würde sie nicht verstehen.
Strasser brachte das Kunststück fertig, mit dem Zeigefinger zuerst auf seine Brust zu zeigen und ihn dann verschwörerisch an die Lippen zu legen.
»Du meinst… Du meinst – du? Du hast ihn gefälscht?«
Er
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