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Der letzte Weynfeldt (German Edition)

Der letzte Weynfeldt (German Edition)

Titel: Der letzte Weynfeldt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Suter
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es was zu essen?«
    Sie packte die zehn Notenbündel auf ihren angewinkelten linken Unterarm und presste sie gegen den Oberkörper. So ging sie zum Tresor, schlenkerte die rechte Hand mit der losen Tausendernote über dem Kopf und sagte: »Eine Million. Mit links. Lächerlich.«
    Sie verstaute das Geld im Tresor, schloss ihn, klappte das Bild zurück, stellte sich vor Adrian hin und fragte: »Ist es weit bis dorthin, wo wir essen?«
    Frau Hauser hatte das »Dîner Tête-à-Tête« mit viel Kerzenlicht und einem Kaminfeuer im Esszimmer inszeniert. Sie servierte Austern zur Vorspeise und eine Auswahl von Meeresfrüchten – Hummer, Krevetten und Muscheln. Zum Dessert brachte sie eine Mischung selbstgemachter Sorbets und etwas Konfekt, auch aus ihrer Hand. Noch vor zehn Uhr zog sie sich betont diskret zurück.
    Sobald sie allein waren, befiel sie eine verlegene Stille. Wie das Brautpaar einer arrangierten Ehe bei seiner ersten Begegnung. Vorher hatten beide ihre Rollen gespielt. Lorena die der etwas einfältigen, aber süßen Mesalliance eines Mannes der Gesellschaft. Adrian die des wohlwollend amüsierten Lebemannes bei einer Affäre unter seinem gesellschaftlichen Niveau.
    Aber jetzt war der offizielle Teil vorbei, und sie saßen sich privat gegenüber.
    Lorena, etwas beschwipst, sprach als Erste. »Ich habe dich falsch eingeschätzt.«
    Er sagte nicht: Ich dich auch. Er sagte: »Inwiefern?«
    »Nie hätte ich gedacht, dass du es tun würdest. Nie!«
    Adrian zuckte mit den Schultern und schenkte ihr Glas voll.
    »Darf ich dir eine größenwahnsinnige Frage stellen?«
    Er nickte und reichte ihr das Glas.
    »Hast du es meinetwegen getan? Weil ich gesagt habe, du seist überkorrekt?«
    »Vielleicht.«
    »Und wie fühlst du dich jetzt? Wo du es getan hast?«
    »Ganz okay.« Adrian merkte, dass er sich bereits vorstellte, wie er ihren Reißverschluss öffnete. Ohne Vorbereitung. Einfach die verchromte Öse ergriff und zog und die beiden Hälften des Oberteils teilte und das freilegte, was sie dort zu bieten hatte.
    »Eigentlich schade«, sagte sie.
    »Was ist schade?«
    »Mir wäre lieber gewesen, du hättest es nicht getan.«
    »Es hat keine Bedeutung.« Die Vorstellung erregte ihn, dass er mit ihr schlafen würde wie mit einer Fremden. Er würde sie benutzen, so wie sie ihn benutzt hatte und immer noch zu benutzen glaubte. Und dann würde er sie wegwerfen. Er würde sie, ohne noch einmal einen Gedanken an sie zu verschwenden, in ihr Verderben schicken.
    Sie nuckelte an ihrem Glas und sah ihn von unten an. »Schade. Ich glaube, mir wäre doch lieber, du wärst überkorrekt.«
    Weynfeldt streckte die Hand aus und zog am Reißverschluss.

35
     
    Sollte sie einpacken oder auspacken? Ihr Studio erinnerte sie an eine Geschichte, die sie einmal gelesen hatte. Von einer alten Frau, die zu Hause gestorben war. Als man die Tür zu ihrer Wohnung öffnete, fand man sich in einem Tunnelsystem aus Müll und Sammelgut wieder, das Jahrzehnte alt sein musste. Die Frau hatte nicht nur nichts weggeworfen, sie hatte auch alles gesammelt und aufbewahrt, was andere weggeworfen hatten.
    Lorena sammelte zwar noch nicht den Abfall fremder Leute, aber ihren eigenen warf sie nicht so regelmäßig weg, wie sie das tun sollte. Flaschen, zum Beispiel. Auch die Veuve Cliquots, die Theo Pedroni damals mitgebracht hatte, standen noch herum. Und Pizzaschachteln. Viele leere Schachteln verschiedener Pizzakuriere stapelten sich an mehreren Orten des kleinen Studios.
    Sie war eigentlich kein unordentlicher Mensch. Aber um Ordnung halten zu können, musste eine Grundordnung herrschen. Etwas, dem man das neu Dazugekommene anpassen konnte. Und in diesem Raum gab es lediglich mehr oder weniger Gegenstände, brauchbare und unbrauchbare. Sie unterschieden sich nicht durch ihre Ordnung. Sie unterschieden sich auf den ersten Blick durch nichts. Die Pizzaschachtel und die Prada-Handtasche, das feuchte Küchentuch und die Donna-Karan-Bluse unterschieden sich nur auf den zweiten oder dritten Blick.
    Das hieß, Aufräumen brachte nichts. Sie müsste an die Basis, an die Grundordnung gehen. Deswegen überlegte sie sich, ob sie aus-oder einpacken sollte.
    Sie hatte eine verwirrende, wunderbare, befremdliche, erotische Nacht hinter sich. Sie wusste nicht genau, was geschehen war, aber Adrian – Adrian, wie das plötzlich klang – war irgendwie verändert gewesen. Sie konnte ihn nicht mehr als ihren Siegelring-und Kennedyfrisurträger betrachten, er war ihr auf den Leib

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