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Der letzte Wille: Thriller (German Edition)

Der letzte Wille: Thriller (German Edition)

Titel: Der letzte Wille: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Denise Mina
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Sie jetzt kurz einen Blick drauf zu werfen.«
    Zunächst sah Paddy nur das ganze Schlamassel. In der Schläfe befand sich ein schwarzes Loch von der Größe einer Faust. Die Zunge … war das überhaupt eine Zunge? Rosa und aufgequollen steckte sie zwischen blutigen Lippen. Er musste auf der Seite gelegen haben, nachdem er erschossen worden war, weil die blutigen Rinnsale quer über seinem Gesicht getrocknet waren, wie eine schwarze Krake, die aus dem Loch über seinem Ohr gekrochen kam. Hinter alldem konnte sie Terry zunächst gar nicht entdecken. Sie wandte den Blick ab, sah über Aoifes Schulter hinweg, riss sich noch einmal zusammen und betrachtete ihn erneut durch eine Wolke aus weißem Atem.
    Das Erste, was sie wiedererkannte, war die Impfnarbe auf seinem Oberarm. Die hatte sie geküsst und in dem dämmrigen Zimmer in Fort William angestarrt, als Terry von San Salvador erzählte, sie kannte jede Furche an der pennygroßen Stelle, jede Sommersprosse. Dann sah sie, dass es Terrys Nase war. Es war auch sein Doppelkinn. Sie sah die Haare hinten an seinem Hals: schwarz, kräftig, gegelt, bei Berührung klebrig. Sie war diesen Hals mit den Fingerspitzen entlanggefahren, hatte gespürt, wie weich er war, ihn gekratzt und geküsst, ihre Zungenspitze über die weichen Haare am Ansatz gleiten lassen, ihn geschmeckt. Ihr Mund füllte sich mit salziger Flüssigkeit.
    »Er … das ist er.«
    Ihr Kopf wurde plötzlich ganz leicht, sie fühlte sich wacklig auf den Beinen. Sie befahl sich, tapfer zu bleiben, und sah zu Aoife auf, doch ihr Blick wanderte über deren dichtes braunes Haar hinweg, raste die Wand hinauf und sprang an die Decke auf eine brennende Neonröhre.
    Paddy knallte auf den Boden, noch bevor sie merkte, dass sie fiel.

II
    Das Licht über ihr war so grell, dass Paddy den Arm vors Gesicht schlug und sich auf die Seite rollte, um ihm zu entgehen. Aoife sprach meilenweit von ihr entfernt. »Ihr geht’s gut. Keine Sorge. Sie können sich jetzt um Ihre anderen Aufgaben kümmern.«
    Paddy hörte Blane etwas sagen. Oder war es Kilburnie? Aoife erwiderte etwas und irgendwo schnappte eine Tür zu.
    Das Gesicht in den Händen vergraben, setzte sich Paddy auf. Sie lag auf einem niedrigen Bett, einer Lederliege mit einem langen breiten Papierstreifen darauf, wie beim Frauenarzt. Sie war vor den Polizisten ohnmächtig geworden und hatte dabei ein Kleid getragen. Blane und Kilburnie hatten jetzt richtig was zu erzählen: Burns im Fernsehen, lilafarbener Flur und sie selbst auf dem Boden, alle viere von sich gestreckt, im ausgezeichnet sichtbaren, grau verfärbten Schlüpfer. Fluchend schwang sie die Beine zur Seite und zwang sich, die Augen zu öffnen.
    Sie mussten sie hier hereingetragen haben. Es war ein kleines Büro, durch hölzerne und gläserne Trennwände vom Rest des Leichenschauhauses getrennt. Graue Aktenordner und Papiere stapelten sich auf allen verfügbaren Flächen. Auf dem billigen Pressspanschreibtisch stand ein großer weißer Computer und auf dem Bildschirm blinkte es grün.
    Aoife beobachtete sie von einem Drehstuhl aus und rauchte eine Zigarette, obwohl sie nicht mal alt genug aussah, um welche kaufen zu dürfen.
    »Tschuldigung, tut mir leid … wirklich«, entschuldigte sich Paddy doppelt und dreifach. Etwas anderes fiel ihr nicht ein. »Ich gehe, tut mir leid.« Unsicher stand sie auf und sah sich um. »Wo ist mein Mantel?«
    »Sie hatten keinen Mantel.«
    »Hatte ich nicht?«
    »Sind Sie schwanger oder so?«
    Paddy fasste sich betroffen an die Rundung ihres Bauchs.
    »So hab ich das nicht gemeint … Sie sehen nicht aus, als wären Sie’s.« Aoife wedelte mit ihrer Zigarette an Paddys Körper auf und ab. »Nur für den Fall, dass es etwas anderes ist, als ein Schock. Ich bin Ärztin, ich muss solche Fragen stellen.«
    Paddy erinnerte sich an die entsetzlichen Augenblicke, bevor sie ohnmächtig geworden war. Sie schlug erneut die Hände vors Gesicht und presste stöhnend Terrys Namen hervor.
    »Ihr Freund«, stellte Aoife nüchtern fest.
    Paddy sah auf. »Freund.« Das Wort klang unglaublich zärtlich. Ihr war nach Weinen zumute. »Wer schießt ihm bloß in den Kopf? Er war ein guter Kerl.« Sie erinnerte sich an das Hotelzimmer in Fort William. »Das heißt ziemlich gut. Auf jeden Fall okay.«
    Aoife betrachtete ihre Zigarette. »Als Sie nicht bei Bewusstsein waren, meinten die Polizisten, die Provos hätten ihn erschossen.«
    »Terry hatte mit den Unruhen in Irland nichts am Hut. Er hat sich

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