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Der letzte Winter

Titel: Der letzte Winter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Åke Edwardson
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Jahreszeit.« Holst sah zum nördlichen Winterhimmel hinauf. Er war hier genauso blau wie in Andalusien. »Wir haben ihn winterfest gemacht.«
    Winter nickte. Er trank einen Schluck Kaffee, der schon abgekühlt war. Das kam nicht nur von der Milch. Es war der Wind, der plötzlich stärker wurde, aber der Himmel war wolkenlos. Er spürte Kühle im Nacken, doch das war kein Wind.
    »Wer war dort?«, fragte Winter.
    Holst starrte weiter in den leeren Himmel. Es gab absolut nichts zu sehen, nur Leere. Wie der Boden eines Swimmingpools, der genauso blau wie das Wasser war.
    »Wer war dort, als es passierte?«, fragte Winter.
    Holst drehte sich zu ihm um.
    »Wie bitte?«
    »Am Swimmingpool. Im Swimmingpool. Wer war bei Ihnen?«
    »Darüber haben wir doch längst gesprochen«, sagte Holst. »Das Thema ist erledigt. Wenn ich gewusst hätte, dass Sie darüber mit mir reden wollen, hätte ich Sie nicht in mein Haus eingeladen.«
    »Ich habe mich selbst eingeladen«, sagte Winter.
    Holst schwieg.
    »Wen haben Sie damals eingeladen?«, fragte Winter.
    Wieder spürte er die Kühle im Nacken. Es war nicht der Wind. Der war genauso schnell verschwunden, wie er gekommen war. Die Kühle war geblieben. Langsam kroch sie über Winters Schädel. Er hatte keine Kopfschmerzen, aber vielleicht würde er welche bekommen, wenn die Kühle seine Stirn erreichte. Er wollte nicht auf den Schmerz warten.
    »Wen haben Sie an jenem Tag eingeladen? In welchem Jahr war es? 1989 ? 1990 ?«
    Holst antwortete nicht.
    »Erik war da«, sagte Winter.
    »Wir haben darüber gesprochen«, sagte Holst. »Damit sind wir fertig.«
    »Madeleine war da«, sagte Winter.
    Wieder zuckte Holst zusammen, als hätte Winter ihn mit einem Stock angetippt. Holst sah Winter an. Seine Augen waren genauso tot wie zuvor. Der Augapfel hatte die Farbe von Knochen, die zu lange in der Sonne gelegen haben. Sein Gesicht könnte eine Wüste sein. Ein Krater.
    »Madeleine war an dem Tag dabei«, sagte Winter.
    »Lassen Sie Madeleine aus dem Spiel!«
    Winter schwieg.
    Holst hob erneut den Blick. Er schaute an der Fassade des Schlosses hinauf. Winter folgte seinem Blick. Im zweiten Stock nahm er eine Bewegung an einem Fenster wahr. Er sah ein Gesicht hinter der Gardine, eine Hand. Es war Annica Holst. Sie rührte sich nicht. Sie und ihr Mann schauten sich an. Ein entsetzliches Geheimnis vereint sie, dachte Winter, für immer.
    Holst senkte den Blick auf die Erde. Dort gab es nur Schotter und Steine, Stein auf Stein auf Stein.
    »Erik und Madeleine«, sagte Winter.
    Holst reagierte nicht. Plötzlich ging er davon, den Schotterweg entlang, zu den Rasenflächen, die an Hecken grenzten, die an andere Rasenflächen grenzten, die an Schotterwege, Marmortreppen, Mauern, Schlosssäle, Zinnen und Türme grenzten.
    Er verschwand. Er war geradewegs durch die Hecke gegangen.
    Winter drehte sich um. Annica Holst stand noch immer am Fenster. Sie hatte einen besseren Überblick. Sie konnte ihren Mann sehen. Er war auf dem Weg zum Meer.
    Annica schaute auf Winter herunter. Er hob die Hand. Sie verschwand vom Fenster.
    Winter wartete auf der Treppe. Rundum war es ganz still. Keine Schiffe, keine Flugzeuge. Keine Menschen. Sein Auto wartete düster im Schatten der nackten Zweige eines Ahorns. Es sah aus wie ein gestreiftes Tier.
    Er hörte sie hinter sich.
    »Er kommt zurück«, sagte sie.
    »Wohin geht er?«
    »Hinter dem Golfplatz gibt es einen kleinen Strand.«
    »Järkholmen«, sagte Winter.
    »Sie kennen ihn?«
    »Das war früher auch mein Strand.«
    »Ist er es nicht mehr?«
    »Nein.«
    »Haben Sie gewechselt?«
    »Ich weiß es nicht.« Er drehte sich um. »Ich hatte einen Strand, aber ich weiß nicht, ob ich ihn noch habe.«
    »Jetzt verstehe ich Sie nicht.«
    »Ich glaube, Sie verstehen mich sehr gut. Nicht nur Ihr Mann und Erik waren an jenem Tag dort, oder? Ihr Mann, Erik und Madeleine. Und auch nicht nur sie.«
    Annica Holst schüttelte den Kopf. Er wusste nicht, ob es »ja« oder »nein« heißen sollte. Kopfschütteln hatte eine unterschiedliche Bedeutung in unterschiedlichen Kulturen.
    »Es war jemand dabei, der in Ihrem Pool zu schwimmen pflegte«, sagte Winter. »Jemand, der häufig zu Ihnen kam, weil er so gern schwamm.«
    »Hören Sie auf!«
    »Er war ein guter Schwimmer«, sagte Winter.
    »Ich will nichts mehr hören!«
    »Ich glaube, dass er in diesem Moment an Ihrem Pool sitzt«, sagte Winter. »Oder darin liegt.«

47
    A ls er in die Stadt zurückfuhr, hatte er das Gefühl, seine

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