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Der letzte Winter

Titel: Der letzte Winter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Åke Edwardson
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Winter hatte ihm das Bild selber gezeigt.
    »Hat er sie gekidnappt?«, fragte Näver.
    »Ich glaube ja«, sagte Winter. »Heute erfahren wir wahrscheinlich, ob sich eine andere Person in seiner Wohnung befunden hat. Es könnte sich um Gerda Hoffner gehandelt haben.«
    »Was für ein Mistkerl. Warum hat er das getan?«
    »Sie ist ihm wohl in die Quere gekommen«, sagte Winter. »Wahrscheinlich hat sie die Wohnung betreten, vielleicht an der Tür geklingelt. Und als sie schließlich im Flur stand, muss ihr sofort klargeworden sein, dass sie genau richtig war.«
    »Genau richtig? Wie das?«
    »Er hat noch mehr Verbrechen auf dem Gewissen«, antwortete Winter. »Er hat Spuren hinterlassen.«
    »Dahlquist? Hat er Dahlquist umgebracht?«
    Winter schwieg.
    »Wo ist der Kerl jetzt?«, fragte Näver.
    »Irgendwo im Süden Spaniens.«
    »Warum?«
    »Das ist eine komplizierte Geschichte«, sagte Winter.
    »Da müsst ihr wohl Interpol auf ihn ansetzen.«
    »Das ist auch kompliziert.«
    »Aha. Dann ist er also abgehauen und hat das Mädchen irgendwo liegen lassen?«, fragte Näver.
    »Ich fürchte, ja.«
    »Und was zum Teufel unternehmen Sie dagegen?«
    »Ich suche.«
    »Wo?«
    »Überall«, sagte Winter.
    »Glauben Sie, sie lebt noch?«
    »Ja.«

46
    W inter fuhr die Särö-Umgehung in südlicher Richtung. Bei der Abfahrt Hovås bog er ab. Es war einer dieser Morgen, die ein Geschenk Gottes sind. Die Welt ist ewig. Wie die Werte, die die hier lebenden Menschen verbinden, dachte er, als er Viertel passierte, die in materiellen Werten mit Beverly Hills konkurrieren konnten. Ewigen Werten.
    Peder Holst wartete vor seinem mansion on the hill . Es lag wirklich auf einem Hügel und war wie eine Art Schloss gebaut. Alle Häuser in dieser Gegend waren Schlösser, und die Bewohner waren alle Könige und Königinnen.
    Aber die Prinzessin war verschwunden. Für ewig weg.
    Holst trug ein Tweedjackett gegen die Morgenkühle. Vom Ärmel hingen ein paar lose Fäden herunter. Das war das Signum der Oberschicht.
    »Was wollten Sie mich fragen?«
    Holst hatte gewartet, während Winter parkte, aus dem Auto stieg und die wenigen Meter über den Schotterweg heraufgekommen war.
    »Wo ist Ihre Frau?«, fragte Winter.
    »Sie ist noch im Bett.« Holst drehte sich um und sah an der Fassade mit den hundert Fenstern hinauf, als erwartete er, Annica Holst würde sich in einem von ihnen zeigen. »Sie steht immer spät auf.« Er schaute Winter an. »Manchmal steht sie gar nicht auf.«
    Winter nickte.
    »Ich würde manchmal auch am liebsten im Bett liegen bleiben«, sagte Holst. »Dann wünsche ich mir, nie wieder aufstehen zu müssen.«
    »Ich verstehe.«
    »Sie verstehen nichts, das werden Sie nie. Sie können es nur verstehen, wenn es Ihnen selber passiert.«
    Winter antwortete nicht. Holst wollte noch etwas sagen, verstummte jedoch, bevor die Worte sein Gehirn verlassen hatten. Der Mann war gealtert, seit Winter ihn das letzte Mal gesehen hatte, aber vielleicht täuschte er sich auch. Vielleicht sah er schon lange so gebrochen aus. Ein seit vielen Jahren gebrochener Mann. Seit zwanzig Jahren gebrochen.
    »Ich muss wissen, was damals vor zwanzig Jahren zwischen Ihnen und Erik Lentner passiert ist«, sagte Winter.
    Holsts Blick richtete sich auf ihn. Sie hatten den gleichen matten Glanz, den Winter schon auf Obduktionstischen gesehen hatte. Holst machte den Eindruck eines lebenden Toten, der sich trotzdem in Tweed gekleidet hatte. Es war die Trauer, aber es war noch etwas anderes.
    »Was ist passiert?«, wiederholte Winter.
    »Möchten Sie etwas trinken?«, fragte Holst. »Eine Tasse Kaffee? Haben Sie schon gefrühstückt?«
    »Wollen Sie es mir erzählen?«, fragte Winter zurück. »Wenn Sie es mir erzählen, dürfen Sie mich zu einer Tasse Kaffee einladen.«
    »Die Maschine ist kaputt«, sagte Holst. »Vielleicht habe ich auch vergessen, wie man sie bedient. Oder sie ist eine Weile nicht benutzt worden. Ist es nicht so, dass Espressomaschinen, die nicht täglich benutzt werden, anfangen zu mucken?«
    »Möglich«, sagte Winter.
    »Dann wird es das sein«, sagte Holst. »Also gibt es Pulverkaffee.«
    »Das ist in Ordnung«, sagte Winter. »Wir können ihn hier draußen trinken.«
    »Ja, wir sollten meine Frau nicht wecken«, sagte Holst. »Sie konnte gestern Abend nicht einschlafen.«
    »Nein, wir wollen sie nicht wecken«, sagte Winter.
    Holst sah ihm in die Augen und nickte. Er verstand. Sie verstanden beide. Er verstand, dass Winter verstand.
    Holst

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