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Der letzte Winter

Titel: Der letzte Winter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Åke Edwardson
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bei einer Tombola zog. Sie gehörten nicht hierher. Sie repräsentierten eine andere Welt.
    Winter ging wieder in den Flur und ins nächste Zimmer, ein Schlafzimmer. Das Bett war gemacht, der einzige Nachttisch leer. Am Fenster stand eine Art Sessel. Das war alles.
    Im Wohnzimmer hingen an drei der Wände vier Gemälde.
    Mehr brauche ich nicht zu sehen, dachte er, als er den leeren Sofatisch, die Sessel, die geraden Linien betrachtete. Schiöld hatte nach Aussage der Wohnungsverwaltung nicht länger als zwei Monate hier gewohnt. Wenn er überhaupt in dieser Wohnung gelebt hatte. Der Zeitraum war so kurz, dass die Nachbarn ihn nicht kannten. Martin und Madeleine. Er hatte sich nicht gezeigt. Er hatte beobachtet.
    Winter ging zurück in den Flur, auf der Hutablage keine Hüte, aber auf dem unteren Bord ein Paar Gartenhandschuhe. In diesem Viertel gab es keine Gärten. Er hat die Handschuhe nicht versteckt. Winter versuchte, ruhig zu bleiben, aber es gelang ihm nicht. Es war jetzt , es war hier . Noch konnte er Leben retten. Er rettete Leben, der andere schonte es. Nein. Er hatte die Macht, es zu schonen.
    Wo ist sie? Warum ist sie nicht hier? Wo zum Teufel ist sie?
    »Gerda?! Gerda Hoffner?! Hallo? Gerda?!«
    Jetzt verriet ihn seine Stimme, aber das war ihm egal, wenn sie ihm nur etwas anderes verriet, ein Versteck, ein Zimmer, in dem Gerda Hoffner sich befand, einen Ort. Er ging von Raum zu Raum. Die Wohnung hatte fünf Zimmer inklusive einer kleinen Mädchenkammer. Nirgends fanden sich Spuren von irgendetwas. Mehr konnte er im Augenblick in dem unzuverlässigen Licht nicht sehen.
    Sie ist hier gewesen, dachte er. Wir werden Spuren von ihr finden.
    In dieser Wohnung war kein Leben. Sie war wie eine Kulisse. Sich in ihr zu bewegen musste sein, als bewege man sich auf einer Bühne.
    Er hat die Bühne verlassen, dachte Winter.
    Aber die Bühne war noch vorhanden, als Winter und Ringmar zwei Stunden später darauf standen. Sie waren nicht allein.
    »Molina musste gar nicht überredet werden«, sagte Ringmar.
    »Er ist ein intelligenter Staatsanwalt«, sagte Winter.
    »Hoffentlich sind wir genauso intelligent«, sagte Ringmar und sah sich um.
    »Hier«, sagte Winter. »Das ist unser Mann.«
    »In Göteborg wohnen noch mehr Pedanten, nicht nur einer.«
    »Er ist es«, beharrte Winter.
    »Aber wo ist sie?«
    Winter antwortete nicht.
    »Vielleicht gehören sie nicht zusammen«, sagte Ringmar.
    »Eine Sekunde lang heute Nacht habe ich geglaubt, sie sei hier«, sagte Winter.
    Eine Kollegin von der Spurensicherung kam aus der Mädchenkammer, ein Neuzugang. Winter konnte sich nicht an ihren Namen erinnern.
    »Ich glaube, jemand hat kürzlich in dem Bett gelegen«, sagte sie.
    »Ja?«
    »Wir werden sehen.« Die Frau ging weiter in ein anderes Zimmer.
    »Sie war hier«, sagte Winter. »Ich bin mir ganz sicher.«
    »Aber wo zum Teufel ist sie jetzt?«
    »Ich war unten im Keller«, sagte Winter. »Dort gibt es einen Verschlag, der zur Wohnung gehört. Er war fast leer. Sie war nicht dort.«
    »Und wo zum Teufel ist er ?«, sagte Ringmar.
    »Irgendwo anders«, sagte Winter.
    »Ist er abgehauen? Wenn er ein Flugzeug benutzt hat, kriegen wir es heraus.«
    »Wenn er unter seinem Namen geflogen ist, ja.«
    »Unter einem falschen Namen fliegen? Kann ein Mensch so teuflisch sein?«, sagte Ringmar.
    »Das überprüft Möllerström gerade beim Flughafen Landvetter«, sagte Winter.
    Ringmar sah auf seine Armbanduhr. »Jetzt läuft der Flugverkehr wohl wieder an«, sagte er.
    »Dies ist nicht der Tag, an dem er flieht«, sagte Winter.
    Als er sein Ticket im Reisebüro gekauft hatte und mit Air France nach Málaga geflogen war, hatte er noch Herman Schiöld geheißen. Es war ein Ticket ohne Rückflug gewesen.
    »Er muss da unten ein Domizil haben«, sagte Ringmar.
    Sie standen in Winters Büro. Niemand mochte sich setzen.
    »Das wird harte Arbeit, wenn wir alle Makler überprüfen wollen, die Immobilien im Ausland vermitteln«, fuhr Ringmar fort. »Jeder Immobilienmakler verkauft doch Objekte im Ausland. Bald werden sie im Ausland wahrscheinlich mehr Immobilien los als zu Hause.«
    Draußen war es hell geworden. Es würde ein neuer klarer Tag werden. Über der Stadt hingen nur noch einige Schwaden Nebel wie zur Erinnerung an eine andere Zeit.
    Tommy Näver hatte Herman Schiöld auf einem Passbild identifiziert. Das war das Erste, was er an seinem Arbeitsplatz auf der Avenyn erledigte, bevor er überhaupt eine Nummer von Faktum verkauft hatte.

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