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Der letzte Winter

Titel: Der letzte Winter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Åke Edwardson
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verwendeten ein neueres Modell. Von irgendwo hörte sie Geräusche, vielleicht eine Tür, die geöffnet wurde. Es klang, als käme es von ganz oben. Gerda Hoffner sah auf ihre Armbanduhr. Für manche begann der Morgen jetzt oder bald, womöglich auch in diesem Haus. Vor ihrem inneren Auge hatte sie jedoch ein Bild von langsam vergehenden Vormittagen in riesigen sonnendurchfluteten Zimmern, Morgenmäntel aus Seide, ein silbernes Teeservice auf einem silbernen Tablett, das auf einem silbernen Tischchen stand. Vielleicht hatte sie das Bild in einem Film gesehen, etwas Englisches. Englische Einflüsse gab es auch in dieser Stadt. London und Klein-London. Nicht, dass sie viel darüber wusste. Sie wusste mehr über Deutsches, doch davon gab es nicht mehr viel in ihrer Umgebung. Alles Deutsche war mit ihren Eltern verschwunden, als sie nach Leipzig zurückgekehrt waren. Klein-Leipzig. Ich muss jetzt alles richtig machen, dachte sie, während sie die Stufen hinaufstieg. Ganz wach sein. Ich muss genau hinschauen. Ich muss mehr sehen als hören. Jetzt muss ich mich auf meine Augen verlassen, sie dürfen mich nicht im Stich lassen.
    Sie hatten den dritten Stock erreicht, wo es drei Türen gab. Eine von ihnen stand einen Spaltbreit offen. Sie wirkte genauso massiv wie die Haustür. Dunkles Holz, das wie Eisen aussah. Gerda Hoffner spürte einen Luftzug am Hinterkopf, als würde jemand ein Stück Stoff über ihren Schädel ziehen. Das war die Angst. Sie fühlte den Pistolenkolben in ihrer Hand. Er war kalt wie Eisen. Eisen kann einen beruhigenden Effekt haben.
    Plötzlich verlosch das Licht im Treppenhaus.
    Aus dem Türspalt sickerte ein Lichtstreifen.
    Es sah sehr unheimlich aus. Wie eine Schlange, dachte sie, die sich auf uns zuschlängelt. Sie konnte Johnnys Profil sehen. Er scheint es nicht mehr eilig zu haben. Er hat genauso viel Angst wie ich. Sie hörte ein Geräusch aus der Wohnung. Die Wohnung. Das da ist nicht irgendeine Wohnung, dachte sie. Das Geräusch klang wie Schluchzen oder ein tiefes Luftholen. Es sickerte heraus zusammen mit der elektrischen Schlange. Da war es wieder. Jetzt schwang etwas anderes darin mit, vielleicht ein langsamer Schrei. Es war Angst. Sie wusste, was Angst war.
    »Er ist jedenfalls zu Hause«, sagte Johnny leise. Sie hörte die Nervosität in seiner Stimme. Es waren nassforsche Worte, aber die Stimme verriet ihn. So war es immer, die Stimme verriet alles. Johnny rührte sich nicht. Sie ging an ihm vorbei und schob die Tür mit dem Pistolenlauf etwas weiter auf. Das bösartige Licht wurde stärker, aber es blendete sie nicht. Sie sah den Vorraum, dort ein Stuhl, da ein kleiner Tisch, ein Stück entfernt etwas an der Wand, an der Decke ein Kristallleuchter. Es war genau so, wie sie es erwartet hatte, schon im Vorraum ein Kristallleuchter. Der Vorraum schien so groß wie ihre ganze Wohnung zu sein. Bis zu dem Zimmer, von dem sie einen Ausschnitt sah, waren es etwa fünfzehn Meter. Auf dem Fußboden spiegelte sich der Glanz einer Fensterscheibe. Auch in dem Zimmer brannte Licht, schwächer als das Licht im Vorraum. Wieder hörten sie das Geräusch, es klang nicht richtig menschlich. Was immer menschlich sein mochte. Auch das hatte sie schon in diesem Job erfahren, der schwerer war, als man ihnen an der Polizeihochschule erzählt hatte. Menschlichkeit trat in vielen verschiedenen Gestalten auf. Gewändern. Verschiedenen Schreien. Da war es wieder. Es war wie Gegenwind, der sie daran hinderte, sich von der Stelle zu rühren.
    »Scheiße«, sagte Johnny, ging an ihr vorbei und weiter in die Wohnung hinein.
    Der Schrei kam ihm entgegen, kam ihr entgegen. Jetzt war gar nichts Menschliches mehr darin. Sie machte einen Schritt vorwärts, gegen den Wind.
    Er ließ sich in die Dunkelheit sinken. Er konnte nicht mehr sehen. Es gab kein Licht mehr. Bis in alle Ewigkeit würde er in Dunkelheit leben müssen. Und das war das Schlimmste von allem. Dass er leben würde.
    »Erik? Erik?!«
    Er hörte sie mitten in seinen eigenen Schreien rufen. Noch immer befand er sich tief am Grund seines Alptraums. Sie stand oben am Rand des Grabes und versuchte, ihn mit Rufen zu erreichen. Und er hatte es gehört. Ihr Rufen hatte ihn wieder hinaufgezogen. So war es gewesen.
    »Erik, was ist? Erik?«
    Und er war wieder zurück in der Welt. Danke, lieber Gott, danke für Alpträume, dachte er. Sie lassen einen aus der Hölle zum wirklichen Leben erwachen. Was für eine Erleichterung. Freu dich, dass du am Leben bist, Junge. Da

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