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Der letzte Winter

Titel: Der letzte Winter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Åke Edwardson
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unten ist es finster.
    »Alles … okay«, sagte er.
    Sie strich ihm über die Stirn. Er schwitzte wie ein Schwein. Alpträume waren Schwerstarbeit. Workout in der Hölle.
    »Das muss ja ein verdammt schlimmer Traum gewesen sein«, sagte sie und fuhr fort, ihm über die Stirn zu streichen. Angela fluchte selten, aber manchmal gab es keinen treffenderen Ausdruck.
    »Ich muss von meiner eigenen Beerdigung geträumt haben«, sagte er und legte seine Hand auf ihre. »Sie hatten gerade den Sarg hinuntergelassen.«
    Angela schwieg. Jetzt merkte er, dass seine Hand sehr kalt und ihre sehr warm war. All sein Blut war zu der Zentrifuge geströmt, die sein Herz war. Noch ein paar derartige Monsterträume, und er würde etwas gegen Bluthochdruck schlucken müssen.
    »Ich war blind«, sagte er. »So eine Dunkelheit habe ich noch nie gesehen.« Er schaute sie an. »Falls man Dunkelheit sehen kann. Ich habe sie jedenfalls gesehen.« Er hörte seine eigene Stimme, sie klang sehr dünn, sehr fern. »Da unten war es schwärzer als schwarz. Und dann konnte ich gar nichts mehr sehen.«
    Sie nickte.
    »So ist das jetzt für Lars«, fuhr er fort. »Er kann nichts mehr sehen.«
    Träume folgen keinem Drehbuch, darum sind es ja Träume. Sie sind die totale Improvisation. Aber sein Traum basierte auf der Wirklichkeit. Erst vor einigen Tagen, oder waren es Wochen, hatten sie Lars Bergenhem begraben. Erst vor einigen Monaten. Bergenhem war fast genauso lange Kriminalinspektor wie Erik Kriminalkommissar beim Fahndungsdezernat des Göteborger Landeskriminalamtes gewesen. Fast fünfzehn Jahre. Lange Jahre, kurze Jahre, schöne Jahre, hässliche Jahre. Dieses Jahr war ein hässliches, ein schreckliches Jahr gewesen. Bergenhem hatte gelebt, und dann war er gestorben. Er war in die Dunkelheit hinuntergezogen worden. Wirklich unter die Oberfläche. Winter hatte seine Leiche im Arm gehalten. Eine entsetzliche Minute lang. Und dann, Minuten, Stunden, Tage, Wochen danach hatte Winter sich wie betäubt gefühlt, aber er hatte gelebt.
    Und alle hatten Bergenhem in seinem Sarg in der Erde versinken sehen. Immer wieder träumte Winter davon. Er hatte sich Vorwürfe gemacht. Da war etwas, das er nicht gesagt, nicht getan hatte. Etwas, das Lars hätte zurückhalten, vielleicht aufhalten können. Es hatte eine Sekunde oder eine Minute gegeben, in der Winter alles hätte verhindern können. Ein winziger Moment auf Erden. In Gedanken war er immer wieder zu diesem Moment zurückgekehrt. Er war in seinen Träumen zugegen. Aber er wusste, dass die Träume ihn irgendwann verlassen würden. Das wurde ihm allmählich klar. Er lebte, wo ein anderer sein Leben beendet hatte, und Bergenhems Tod hatte ihn selber erlöst. Auch das begriff er jetzt. In dem vergangenen furchtbaren Jahr hatte er eine Art Lebenskrise durchgemacht, das war ihm bewusst geworden. Er war zu etwas unterwegs gewesen, oder von etwas weg, und er hatte die Bewegung nicht stoppen können. Es war eine private Hölle gewesen, eine Hölle, die er für sich selbst und seine Nächsten erschaffen hatte: Angela, die seine beste Freundin und seit der ausgelassenen Trauung an der Costa del Sol auch seine Frau war, und seine beiden Kinder, Elsa und Lilly. Du lieber Gott. Er war auf dem besten Weg gewesen, sich sein eigenes Grab zu schaufeln. Über längere Zeit hatten ihn heftige Kopfschmerzen gequält, eine Art mystische Migräne. Vielleicht. Sie war in der Minute verschwunden, als er Bergenhems Körper gehalten hatte, und war nicht wiedergekommen. Sicherheitshalber hatte er sich hinterher untersuchen, seinen Schädel durchleuchten lassen. Es gab keine Tumore, weder gutartige noch bösartige. Keine Entzündungen im Gehirn, abgesehen von der, die er selbst verursacht hatte, die fiebrige Reise ins Nichts. Also hatte ihm Bergenhems Tod das Leben zurückgegeben. Als ihm die Erkenntnis zum ersten Mal aufgegangen war, war sie ihm melodramatisch vorgekommen, albern, pathetisch, aber es war die Wahrheit. Bergenhem hatte ihn erlöst und ihn durch seinen Tod wieder zu einem fast glücklichen Menschen gemacht. Sich dessen bewusst zu sein war das Schlimmste von allem. Er war kein fast toter Mann mehr. Er würde weiterleben, weiterarbeiten. Bergenhems Tod hatte nicht nur ihn erlöst. Alle seine Mitarbeiter der Fahndung hatten gleichzeitig die große Krise ihres Lebens durchgemacht. Hinterher war ihm klargeworden, dass das nichts Ungewöhnliches war. Ein seit langem zusammengeschweißtes Kollektiv entwickelt kollektive

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