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Der letzte Winter

Titel: Der letzte Winter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Åke Edwardson
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Krisen, jeder Einzelne auf seine eigene Weise. Wenn es bei dem einen schiefging, ging es auch bei allen anderen schief, aber auf unterschiedliche Art. Vielleicht trug er die größte Schuld. Er war mit schlechtem Beispiel vorangegangen. Er war der Chef. Doch jetzt hatte das alles ein Ende. Er hatte sein Leben zurückbekommen. Eher ein Melodram.
    Er lächelte.
    »Worüber lächelst du, Erik?«
    »Dass ich ein begrabener Mann war«, sagte er.
    »Darüber kann man sogar laut lachen.«
    »Wir lachen viel zu selten«, sagte er.
    »Es ist ja noch nicht zu spät.«
    Noch nicht, dachte er, aber das waren genau die Art Gedanken, die er nicht denken sollte. Er müsste jeden Moment darüber jubeln, dass er noch lebte. Fast jeder Schmerz war besser als der Tod, aber die verdammten Kopfschmerzen wollte er trotzdem nicht wiederhaben. Er wollte Neues beginnen. Man sollte alles wenigstens einmal im Leben ausprobieren, außer Inzest und Volkstanz.
    »Es ist nie zu spät«, sagte er. »Und jetzt schlafen wir noch ein bisschen. Ohne Träume.«
    »Wollen wir nach dem Frühstück ans Meer fahren?«, fragte sie.
    »Gute Idee.« Er dachte an den Wind, den Strand, den milden Himmel und den Duft von feuchtem Salz. Dezember war einer der schönsten Monate.
    Gerda Hoffner und Johnny Eilig durchquerten den Flur. Sie kamen an der offenen Küchentür vorbei. Gerda Hoffner sah glänzende Flächen, Stahl, Holz, aber auch Ziegel: eine moderne Küche in einem alten Haus. Klar, so war es vermutlich immer gewesen. Die Reichen besaßen das Neueste stets als Erste. In der Küche brannte Licht, ein fast punktförmiges Licht, das von Spotlights an der Decke oder den Wänden zu kommen schien. Sie sah eine Flasche Wein auf einer Arbeitsplatte, daneben ein Weinglas. Sonst stand nichts herum. Das Licht strich durch den Wein in der Flasche, Gerda Hoffner musste an Bernstein oder Rubine denken. Sie hatte noch nie an Rubine gedacht. Sie trank selten Wein, und wenn, dann weißen.
    Der Schrei war jetzt sehr nah. Sie näherten sich dem Zimmer am Ende der Diele.
    »Hilfe!«, hörten sie. »Hilfe! Helft mir!«
    Jetzt waren sie im Zimmer. Es war ein Schlafzimmer. Sie versuchte, alles auf einmal zu erfassen. Vielleicht würde sie später danach gefragt werden. Als sie den Notruf angenommen hatten, waren sie auf der Allén gewesen, mutterseelenallein auf sämtlichen Fahrspuren. Es war die Stunde vor der Morgendämmerung gewesen. Für die Allgemeinheit würde der Morgen in einer halben Stunde beginnen. Ein Notruf aus einer Wohnung in Vasastan. Ein Todesfall. Ein Mann hatte die Nummer  112 gewählt. Wer ist gestorben? Das war noch unklar. Auch die Todesursache war unbekannt. Der Mann war erregt gewesen, so hatte es der Wachhabende ausgedrückt. Der Anrufer habe »verwirrt« gewirkt.
    »Angeturnt?«, hatte Gerda Hoffner gefragt.
    »Can’t say« , hatte der Wachhabende geantwortet, als ginge es hier um den Hill Street Blues. Als befänden sie sich im New York der siebziger Jahre. Gerda Hoffner war im letzten Jahr der Siebziger geboren, aber es war trotzdem ihr Jahrzehnt, alles war frecher gewesen in den Siebzigern. Jetzt, dreißig Jahre später, erlebten sie eine Renaissance. Wer hätte das gedacht?
    Und nun sahen sie den Mann. Er saß kerzengerade auf der einen Seite des Doppelbettes, die Beine gekreuzt wie in Yogahaltung. Aber das war kein Yoga. Er starrte sie und Eilig wie die Fremden an, die sie waren. Ihre Uniformen spielten keine Rolle. Gerda Hoffner betrachtete das Wesen neben dem Mann. Es war eine Gestalt, ein Körper. Sie sah die Konturen unter dem Betttuch. Auf dem Fußboden lag eine Decke. Undeutlich nahm sie ein Gesicht wahr, die Umrisse eines Armes, einer Hand. Vielleicht sagte der Mann etwas, sie hörte es nicht. Rasch ging sie auf das Bett zu, um die Hand der Frau anzuheben und den Puls zu prüfen. Aber in dem Moment, als sie die Haut berührte, wusste sie, dass in diesem Körper kein Puls mehr schlug. Die Haut fühlte sich entsetzlich kalt an, wie Porzellan, obwohl es sehr warm im Zimmer war. Dieses Herz schlägt nicht mehr, dachte sie. Das Gesicht, du lieber Gott! Ich sehe die Leichenflecken! So sehen also Leichenflecken aus.
    Ein Teil des Kopfes war mit einem Kissen bedeckt.
    Der Mann am Bettrand streckte die Arme zur Zimmerdecke. Sie konnte nicht anders, sie musste hinaufschauen. Bis zur Decke waren es einige Meter. Da oben hing ein Kristalllüster. Er sah aus wie ein blitzendes Raumschiff, im Begriff, dieses Zimmer in Besitz zu nehmen. Es war ein

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