Der letzte Wunsch
steht momentan bei sechseinhalb Orons und steigt noch.«
»Ich möchte, dass du sie nimmst.«
»Zur Aufbewahrung?«
»Nein. Die Nephrite behalte fürs Heiligtum, sagen wir, als meine Opfergabe für die Göttin Melitele. Und die übrigen Steine ... sind für sie. Für Yennefer. Gib sie ihr, wenn sie dich wieder besucht, was sicherlich bald sein wird.«
Nenneke blickte ihm offen in die Augen. »An deiner Stelle würde ich das nicht tun. Glaub mir, du bringst sie nur noch mehr in Wut, viel mehr. Lass alles, wie es ist, denn du kannst nichts mehr rückgängig machen oder verbessern. Als du vor ihr weggelaufen bist, hast du dich ... na, sagen wir, auf eine Weise verhalten, die einem reifen Mann nicht besonders gut zu Gesicht steht. Wenn du versuchst, deine Schuld mit Edelsteinen wettzumachen, verhältst du dich wie ein sehr, sehr überreifer Mann. Ich kann nicht einmal sagen, welche Sorte Mann mir mehr zuwider ist.«
»Sie war zu besitzergreifend«, murmelte er mit abgewandtem Gesicht. »Das konnte ich nicht ertragen. Sie hat mich behandelt wie . . .«
»Hör auf«, sagte sie scharf. »Heul dich nicht bei mir aus. Ich bin nicht deine Mutter, wie oft soll ich es dir noch sagen? Deine Beichtigerin gedenke ich auch nicht zu sein. Es geht mich einen Scheißdreck an, wie sie dich behandelt hat, und wie du sie behandelt hast, erst recht. Und ich denke überhaupt nicht daran, zu vermitteln oder ihr diese dämlichen Steinchen zu übergeben. Wenn du dich zum Narren machen willst, dann tu es ohne meine Hilfe.«
»Du hast mich nicht verstanden. Ich habe nicht vor, sie günstig zu stimmen oder zu bestechen. Aber ich bin ihr etwas schuldig, und die Behandlung, der sie sich unterziehen will, ist vermutlich sehr teuer. Ich will ihr helfen, weiter nichts.«
»Du bist noch dümmer, als ich dachte.« Nenneke nahm den Korb vom Boden auf. »Eine teure Behandlung? Helfen? Geralt, für sie sind diese deine Steinchen eine Lappalie, nicht die Spucke wert. Weißt du, wie viel Yennefer bei einer großen Dame dafür kassieren kann, dass sie eine Schwangerschaft verschwinden lässt?«
»Das weiß ich genau. Und auch, dass die Heilung von der Unfruchtbarkeit noch mehr kostet. Schade, dass sie sich in dieser Beziehung nicht selber helfen kann. Darum sucht sie bei anderen Hilfe, unter anderem bei dir.«
»Niemand kann ihr helfen, es ist ganz unmöglich. Sie ist eine Zauberin. Wie die meisten Magierinnen hat sie verkümmerte, völlig unfruchtbare Eierstöcke, und das ist unabänderlich. Sie wird nie ein Kind bekommen können.«
»Nicht alle Zauberinnen sind in dieser Hinsicht benachteiligt. Ich weiß etwas davon, und du weißt es auch.«
»Nun ja.« Nenneke kniff die Augen zusammen. »Ich weiß.«
»Es kann keine Regel sein, wenn es Ausnahmen gibt. Tisch mir bitte nicht das übliche Geschwafel von den Ausnahmen auf, die die Regel bestätigen. Sag mir etwas über die Ausnahmen als solche.«
»Über die Ausnahmen«, erwiderte sie kühl, »kann man nur eins sagen: dass es sie gibt. Weiter nichts. Aber Yennefer ... Je nun, sie ist leider keine Ausnahme. Zumindest nicht, was die Einschränkung angeht, von der wir reden. Denn in anderer Hinsicht findet man schwerlich eine größere Ausnahme als sie.«
»Zauberer« – Geralt ließ sich weder von der Kälte noch von der Anspielung irritieren – »haben schon Tote erweckt. Ich kenne verbürgte Fälle. Und Tote zu erwecken ist schwieriger, als die Atrophie von Organen aufzuheben, wie mir scheint.«
»Dann scheint es dir falsch. Denn ich kenne keinen einzigen verbürgten Fall, in dem es vollends gelungen wäre, eine Atrophie der Drüsen mit innerer Sekretion aufzuheben oder sie zu regenerieren. Geralt, es reicht, das sieht schon nach einer Ärzteberatung aus. Du kennst dich da nicht aus, aber ich. Und wenn ich dir sage, dass Yennefer für gewisse Fähigkeiten mit dem Verlust anderer bezahlt hat, dann ist es so.«
»Wenn es wirklich so offensichtlich ist, dann begreife ich nicht, warum sie sich weiter so bemüht . . .«
»Du begreifst sehr vieles nicht«, fiel ihm die Priesterin ins Wort. »Verdammt vieles. Hör auf, dich um Yennefers Beschwerden zu kümmern, denk an die eigenen. Dein Organismus ist auch Veränderungen unterworfen worden, die sich nicht rückgängig machen lassen. Du wunderst dich, aber was sagst du zu dir selbst? Für dich muss auch offensichtlich sein, dass du niemals ein Mensch sein wirst, und doch versuchst du andauernd, einer zu sein. Indem du menschliche Fehler machst.
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