Der letzte Wunsch
sich die Lebin irgendwann in dem Volke niederlässt, das andere übertrifft, doch siehe, das sind Weibermärchen. Denn recht sprechen die Weisen, dass die Lebin allein die Erde liebet und das, was darauf wächst und lebet, ohn Unterschied, mag es das kleinste Kräutlein sein oder der geringste Wurm, und jegliche Menschen bedeuten ihr nicht mehr als nämliches armseligstes Kraut, denn auch sie gehen ja dereinst dahin, und kommen nach ihnen neue, andere Geschlechter. Die Lebin aber ist ewig, sie war und wird sein, immer, für alle Zeit.«
»Für alle Zeit!«, sang der Troubador und schlug einen Akkord auf der Laute. Torque fiel mit einem hohen Triller auf seiner Rohrschalmei ein. »Heil dir, o Feldjungfrau! Für die Ernte, für die Blumen im Dol Blathanna, doch auch für die heile Haut des Endunterzeichneten, die du davor bewahrt hast, von einem Pfeilhagel durchlöchert zu werden. Wisst ihr, ich sag euch was.«
Er hörte auf zu spielen, umarmte die Laute wie ein Kind und wurde trauriger. »Ich werde in der Ballade wohl nicht die Elfen erwähnen und die Schwierigkeiten, mit denen sie zu kämpfen hatten. Es würde sich genug Abschaum finden, der Lust auf einen Zug in die Berge hätte ... Wozu beschleunigen . . .«
Der Troubadour verstummte.
»Red zu Ende«, sagte Torque bitter. »Du wolltest sagen: Wozu beschleunigen, was unausweichlich ist. Unvermeidlich.«
»Reden wir nicht davon«, unterbrach ihn Geralt. »Wozu reden? Es braucht keine Worte. Nehmt euch ein Beispiel an Lille.«
»Sie hat sich mit dem Elf telepathisch verständigt«, murmelte der Barde. »Ich hab’s gespürt. Nicht wahr, Geralt? Du fühlst so was doch. Hast du verstanden, wovon ... was sie dem Elf übermittelt hat?«
»Ein bisschen schon.«
»Wovon hat sie gesprochen?«
»Von der Hoffnung. Davon, dass alles sich erneuert und nie aufhört, sich zu erneuern.«
»Weiter nichts?«
»Das war genug.«
»Hm ... Geralt? Lille lebt im Dorf, unter den Menschen. Glaubst du, dass sie . . .«
»Dass sie bei ihnen bleibt? Hier, im Dol Blathanna? Vielleicht. Wenn . . .«
»Wenn was?«
»Wenn die Menschen sich dessen würdig erweisen. Wenn der Rand der Welt der Rand der Welt bleibt. Wenn wir die Grenzen achten. Na, genug von dem Gerede. Schlafenszeit, Jungs.«
»Stimmt. Es ist bald Mitternacht, das Feuer brennt nieder. Ich bleib noch sitzen, die besten Reime sind mir immer am niederbrennenden Feuer eingefallen. Aber ich brauche für meine Ballade einen Titel. Einen schönen Titel.«
»Vielleicht ›Der Rand der Welt‹?«
»Zu banal.« Der Dichter schnaufte geringschätzig. »Sogar wenn das wirklich der Rand ist, muss man den Ort anders bezeichnen. Metaphorisch. Ich nehme an, du weißt, was eine Metapher ist, Geralt? Hm ... Lass mich nachdenken ... ›Dort, wo . . .‹ Verdammt. ›Dort, wo . . .‹«
»Gute Nacht«, sagte der Teufel.
Die Stimme der Vernunft 6
Der Hexer band sein Hemd auf, löste das feuchte Leinen vom Hals. In der Höhle war es sehr warm, sogar heiß; in der Luft hing ein schwerer, feuchter Dampf, der auf den moosbewachsenen Felsbrocken und an den Basaltwänden Tropfen bildete.
Überall ringsum gab es Pflanzen. Sie wuchsen aus in den Felsboden gehauenen torfgefüllten Vertiefungen, aus großen Kisten, Trögen und Bottichen. Sie rankten sich die Wände entlang, über hölzerne Gerüste und Bohnenstangen. Geralt blickte sich neugierig um, er erkannte einige seltene Arten – jene, die Bestandteile der Hexertränke und -elixiere, von magischen Filtern und Zauberdekokten waren. Und andere, noch seltenere, deren Eigenschaften er nur vermuten konnte. Und solche, die er überhaupt nicht kannte und von denen er nie auch nur gehört hatte. Er sah Flecken von sternblättriger Nostrix, die die Höhlenwände überzogen, die aus riesigen Bottichen hervorquellenden dichtgedrängten Kugeln von Blaskopf, mit blutroten Beeren übersäte Arenarientriebe. Er erkannte die fleischigen, grobgeäderten Blätter von Zielschnell, die bordeauxgoldenen Ovale von Nimmermerk und die dunklen Nadeln von Sägstichel. Er bemerkte den an Steinbrocken geschmiegten flaumigen Pelz von Blutstill, die wogenden Knollen von Rabenauge und die getigerten Läppchen der Mäuseschwanz-Orchidee.
Im schattigen Teil der Grotte wölbten sich die Pilzkappen des Nadelblättlings, unansehnliche Staubfäden verrieten den Wundfuß, eine Wurzel mit starken und universellen Heilkräften.
Die Mitte der Höhle nahmen Wasserpflanzen ein. Geralt sah Bottiche voller Hornblatt und
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