Der letzte Wunsch
fertig, bückte sich und spülte die Amphore mit Wasser ab. »Auf dem Korken ist nämlich ein Siegel und auf dem Siegel ein magisches Zeichen.«
»Was für eins? Zeig.«
»Von wegen.« Der Dichter versteckte den Krug hinterm Rücken. »Das könnte dir so passen. Ich hab ihn gefunden, und ich brauche alle Wünsche selber.«
»Rühr das Siegel nicht an! Lass es in Ruhe!«
»Lass los, sag ich! Es ist meiner!«
»Rittersporn, sieh dich vor!«
»Genau!«
»Rühr ihn nicht an! Oh verdammt!«
Aus dem Krug, der bei dem Handgemenge zu Boden gefallen war, strömte roter, leuchtender Rauch.
Der Hexer sprang beiseite und stürzte zum Lagerplatz, um sein Schwert zu holen. Rittersporn hatte die Arme vor der Brust gekreuzt und zuckte mit keiner Wimper. Der Rauch verdichtete sich, sammelte sich zu einer unregelmäßigen Kugel, die in Kopfhöhe des Dichters schwebte. Die Kugel nahm die Gestalt eines karikierten Kopfes ohne Nase an, mit riesigen Augen und einer Art Schnabel. Der Kopf war ungefähr einen Klafter groß.
»Dschinn!«, sprach Rittersporn und stampfte auf. »Ich habe dich befreit, und fortan bin ich dein Gebieter. Meine Wünsche . . .«
Der Kopf klappte mit dem Schnabel, der gar kein Schnabel war, sondern etwas in der Form herabhängender, entstellter Lippen von wechselnder Gestalt.
»Lauf weg!«, brüllte der Hexer. »Lauf weg, Rittersporn!«
»Meine Wünsche«, fuhr der Dichter fort, »sind folgende. Erstens soll Valdo Marx, den Troubadour von Cidaris, auf der Stelle der Schlag treffen. Zweitens lebt in Caelf die Baroness Virginia, die keinen lassen will. Mich soll sie lassen. Drittens . . .«
Rittersporns dritter Wunsch blieb ungesagt. Der monströse Kopf ließ zwei noch monströsere Arme aus sich hervorwachsen und packte den Barden an der Gurgel. Rittersporn begann zu röcheln.
Geralt hatte den Kopf mit drei Sprüngen erreicht, holte mit dem silbernen Schwert aus und hieb ihn vom Ohr her mittendurch. Die Luft heulte auf, aus dem Kopf wallte Rauch, und er wuchs rapide an, auf den doppelten Durchmesser. Der scheußliche Rachen, jetzt ebenfalls doppelt so groß, öffnete sich, klappte wieder zu und zischte; die Pranken schüttelten den zappelnden Rittersporn und pressten ihn zu Boden.
Der Hexer formte mit den Fingern das Zeichen Aard und sammelte im Kopf so viel Energie, wie er nur mobilisieren konnte. Die Energie, die sich im Luftraum rings um den Kopf als blendende Strahlung materialisierte, traf aufs Ziel. Es krachte so laut, dass Geralt die Ohren zu klingen begannen, und vom durch die Implosion erzeugten Luftstoß begannen die Weiden zu rauschen. Das Ungeheuer brüllte markerschütternd auf, wuchs noch mehr an, ließ den Dichter aber los, schnellte empor, begann zu wirbeln, flog über die Wasseroberfläche hinaus und fuchtelte mit den Pfoten.
Der Hexer stürzte los, um den reglos daliegenden Rittersporn wegzuzerren. In diesem Augenblick trafen seine Finger auf einen im Sande vergrabenen runden Gegenstand.
Es war ein Messingsiegel, geschmückt mit einem gebrochenen Kreuz und einem neunzackigen Stern.
Der überm Fluss schwebende Kopf hatte schon die Größe eines Heuschobers erreicht. Der aufgerissene, brüllende Rachen aber erinnerte an ein mittelgroßes Scheunentor. Mit vorgereckten Armen griff das Monster an.
Geralt, der sich absolut keinen Rat wusste, umklammerte das Siegel mit der Faust, streckte dem Angreifer den Arm entgegen und schrie eine Exorzismusformel, die ihm einst eine gewisse Priesterin beigebracht hatte. Er hatte die Formel noch nie benutzt, da er an Aberglauben prinzipiell nicht glaubte.
Die Wirkung übertraf seine Erwartungen.
Das Siegel begann plötzlich zu zischen und schlagartig heiß zu werden, dass es die Handfläche verbrannte. Der riesige Kopf erstarrte in der Luft, schwebte reglos überm Fluss. So blieb er einen Moment hängen, dann heulte er auf, brüllte und löste sich in einen pulsierenden Rauchballen auf, eine große dicke Wolke. Die Wolke stieß ein dünnes Pfeifen aus und jagte mit unglaublicher Geschwindigkeit flussaufwärts, wobei sie auf dem Wasser einen aufgewühlten Streifen hinterließ. Binnen weniger Sekunden verschwand sie in der Ferne, nur das Wasser trug noch eine Zeitlang ihr abflauendes Heulen heran.
Der Hexer kniete sich neben den Dichter, der zusammengekrümmt im Sand lag. »Rittersporn? Lebst du? Rittersporn, verdammt! Was ist mit dir?«
Der Dichter wackelte mit dem Kopf, zuckte mit den Armen und öffnete den Mund zu einem Schrei. Geralt verzog
Weitere Kostenlose Bücher