Der letzte Wunsch
sichtbare Wirkung. Doch der Genius griff nicht an. Er blieb knapp unter der Decke in der Luft schweben, zu imposanten Ausmaßen aufgebläht, glotzte Geralt aus bleichen Augen an und brüllte. In dem Gebrüll lag etwas wie ein Befehl, eine Empfehlung. Welche, verstand Geralt nicht.
»Da lang!«, schrie Yennefer und zeigte auf das Portal, das sie an der Wand bei der Treppe gezaubert hatte. Im Vergleich zu dem vom Genius geschaffenen Portal sah das der Zauberin armselig aus, unansehnlich und überaus provisorisch. »Da lang, Geralt! Flieh!«
»Nur zusammen mit dir!«
Yennefer machte eine Handbewegung und rief einen Spruch, die bunten Linien sprühten Funken, knirschten. Der Dschinn wirbelte wie ein Kreisel herum, spannte die Fesseln, zog sie lang. Langsam, aber stetig näherte er sich der Zauberin. Yennefer wich nicht zurück.
Der Hexer sprang herbei, stellte ihr geschickt ein Bein, packte sie mit einer Hand am Gürtel, die andere krallte er in die Haare am Hinterkopf. Yennefer fluchte grässlich und rammte ihm den Ellenbogen in die Kehle. Er ließ nicht los. Der durchdringende Ozongeruch, den die Zaubersprüche hervorriefen, übertönte nicht den nach Flieder und Stachelbeeren. Geralt riss der Zauberin die zappelnden Beine vom Boden und sprang, trug sie geradewegs in das milchig flimmernde Nichts des kleineren Portals.
Eines Portals, das ins Ungewisse führte.
Sie schossen heraus, aneinandergeklammert, fielen auf einen Marmorboden, rutschten darauf entlang und rissen einen riesigen Leuchter um, gleich darauf einen Tisch, von dem krachend und polternd Kristallpokale fielen, Schalen mit Obst und eine riesige Schüssel voll zerstoßenem Eis, Algen und Austern. Jemand schrie auf, jemand begann zu kreischen.
Sie lagen mitten in einem Ballsaal im hellen Licht der Kronleuchter. Reich gekleidete Herren und mit Juwelen funkelnde Damen hatten den Tanz unterbrochen und schauten sie in verblüfftem Schweigen an. Die Musiker auf der Empore beendeten das Spiel mit einer ohrenzerreißenden Kakophonie.
»Du Kretin!«, schrie Yennefer und versuchte, ihm die Augen auszukratzen. »Du verdammter Idiot! Du hast’s vermasselt! Ich hatte ihn schon fast!«
»Einen Dreck hattest du!«, schrie er zurück, ernstlich böse. »Ich habe dir das Leben gerettet, du dumme Hexe!«
Sie fauchte wie eine wütende Katze, von ihren Händen sprühten Funken. Geralt wandte das Gesicht ab und packte sie bei beiden Handgelenken, worauf sie inmitten von Austern, kandierten Früchten und zerstoßenem Eis zu ringen begannen.
»Haben die Herrschaften Wünsche?«, erkundigte sich ein stattlicher Mann mit der goldenen Kette eines Kammerherrn auf der Brust, der mit geduldiger Miene auf sie herabsah.
»Verpiss dich, Idiot!«, zischte Yennefer, die noch immer versuchte, Geralt die Augen auszukratzen.
»Das ist ein Skandal«, erklärte der Kammerherr nachdrücklich. »Wahrlich, Ihr übertreibt es mit dieser Teleportation. Ich werde mich beim Rat der Zauberer beschweren. Ich verlange . . .«
Sie erfuhren nie mehr, was der Kammerherr verlangen wollte. Yennefer riss sich los, gab dem Hexer eine schallende Ohrfeige, trat ihm kräftig gegen die Wade und sprang in das an der Wand verblassende Portal. Geralt stürzte ihr nach, packte sie mit geübtem Griff bei den Haaren und am Gürtel. Yennefer, die ebenfalls Übung erworben hatte, stieß mit dem Ellenbogen nach ihm. Von der heftigen Bewegung riss ihr das Kleid unter der Achselhöhle und enthüllte eine wohlgeformte jugendliche Brust. Aus dem aufgerissenen Ausschnitt flog eine Auster heraus.
Sie stürzten beide ins Nichts des Portals. Geralt hörte den Kammerherrn noch sagen: »Musik! Weiterspielen! Es ist nichts passiert. Ich bitte, sich über diesen bedauerlichen Zwischenfall nicht zu echauffieren!«
Der Hexer war überzeugt, dass mit jeder weiteren Reise durch das Portal auch die Gefahr eines Unglücks wuchs, und er hatte sich nicht getäuscht. Sie trafen ins Ziel, in Errdils Gasthof, doch sie materialisierten sich direkt unter der Decke. Im Herabfallen zerschmetterten sie das Treppengeländer, und sie landeten mit ohrenbetäubendem Krachen auf dem Tisch. Der Tisch konnte das von Rechts wegen nicht aushalten und hielt es auch nicht aus.
Im Augenblick des Falls befand sich Yennefer zuunterst. Er war überzeugt, sie habe das Bewusstsein verloren. Er irrte sich.
Sie hieb ihm schwungvoll die Faust aufs Auge und schleuderte ihm einen Schwall Flüche ins Gesicht, deren sich ein Zwergen-Totengräber nicht
Weitere Kostenlose Bücher