Der letzte Wunsch
Weißt du, Geralt, ich geriet in Panik, hatte irgendeinen Anfall, ich erinnere mich daran wie durch einen Nebel. Kurzum, es gab Tote. Etliche. Ich benutzte, was mir in die Hand fiel, und war auf einmal sehr stark. Und das Haus half mir, so gut es konnte: Türen zerbarsten, Möbel flogen hinaus, Feuer brach aus. Wer konnte, rannte Hals über Kopf weg, das Tantchen, die Kusine, die Burschen von der Truppe, was sag ich, sogar die Hunde liefen weg, heulend und mit eingekniffenen Schwänzen. Meine Katze Nimmersatt lief weg. Vor Angst traf sogar Tantchens Papagei der Schlag. Alsbald war ich allein, brüllte, heulte, tobte, zerschlug, was mir unter die Hände kam, hauptsächlich Spiegel.«
Nivellen machte eine Pause, seufzte, schniefte.
»Als der Anfall vorüberging«, fuhr er nach einer Weile fort, »war es für alles schon zu spät. Ich war allein. Es war niemand mehr da, dem ich erklären konnte, dass sich einzig und allein mein Äußeres verändert hatte, dass ich, wenn auch in schrecklicher Gestalt, doch nur ein dummer Halbwüchsiger war, der in dem leeren Schloss über den Leichen der Diener schluchzte. Dann kam die fürchterliche Angst: Sie würden zurückkehren und mich totschlagen, ehe ich etwas erklären könnte. Doch niemand kehrte zurück.«
Das Ungeheuer verstummte für eine Weile und wischte sich die Nase am Ärmel ab.
»Ich will mich nicht über jene ersten Monate auslassen, Geralt; mich schaudert noch heute, wenn ich daran denke. Ich komme zur Sache. Lange, sehr lange Zeit saß ich mucksmäuschenstill im Schloss, ohne die Nase hinauszustecken. Wenn jemand auftauchte, was selten vorkam, ging ich nicht hinaus, nun ja, ich ließ das Haus ein-, zweimal mit den Fensterläden schlagen oder brüllte durch die Dachrinne, und für gewöhnlich reichte das, damit der Gast eine mächtige Staubwolke hinterließ. So war das bis zu dem Tag, wo ich früh am Morgen aus dem Fenster schaue, und was sehe ich? Irgend so ein Fettwanst schneidet Rosen von Tantchens Beet. Und du musst wissen, dass das nicht sonst was ist, sondern die blauen Rosen von Nasair, deren Setzlinge noch mein Opa mitgebracht hatte. Die Wut überkam mich, ich stürzte auf den Hof. Als der Dicke die Stimme, die er bei meinem Anblick verloren hatte, wiederfand, quiekte er, er wollte nur ein paar Rosen fürs Töchterchen pflücken, ich sollte ihn verschonen, ihm Leben und Gesundheit lassen. Ich war schon drauf und dran, ihn mit einem Fußtritt vors Tor zu befördern, als mir ein Licht aufging. Ich erinnerte mich an die Märchen, die mir seinerzeit Lenchen, meine Amme, erzählt hatte, die alte Vettel. Verdammt, dachte ich, es sieht so aus, als ob hübsche Mädchen Frösche in Prinzen verwandeln, oder auch umgekehrt, also könnte doch ... Es könnte doch an diesem Gerede ein Körnchen Wahrheit sein, eine Chance ... Ich sprang zwei Klafter empor, brüllte los, dass es den wilden Wein von der Mauer riss, und donnerte: ›Tochter oder Leben!‹, etwas Besseres kam mir nicht in den Sinn. Der Kaufmann, denn es war ein Kaufmann, brach in Tränen aus, worauf er mir gestand, dass das Töchterchen acht Jahre alt war. Was, du lachst?«
»Nein.«
»Denn ich wusste nicht, sollte ich über mein beschissenes Schicksal lachen oder weinen. Der Kaufmann tat mir leid, ich konnte nicht mit ansehen, wie er schlotterte, ich bat ihn herein, bewirtete ihn, bei der Abreise schüttete ich ihm Gold und Edelsteine ins Säckel. Du musst wissen, dass in den Gewölben eine Menge von dem Zeug lag, noch aus Papas Zeit, ich wusste nicht recht, was ich damit anfangen sollte, also konnte ich mir die Geste erlauben. Der Kaufmann begann zu strahlen, dankte, bis er sich ganz besabbert hatte. Er muss irgendwo mit seinem Abenteuer geprahlt haben, denn es vergingen keine zwei Monate, und ein anderer Kaufmann traf ein. Er hatte einen reichlich bemessenen Geldsack bei sich. Und eine Tochter. Auch reichlich bemessen.«
Nivellen zog die Beine unterm Tisch vor, dehnte sich, dass der Sessel in den Fugen krachte.
»Eins zwei drei war ich mit dem Kaufmann einig«, fuhr er fort. »Wir vereinbarten, dass er sie mir für ein Jahr dalassen würde. Ich musste ihm helfen, den Sack aufs Maultier zu heben, allein hätte er ihn nicht von der Stelle gekriegt.«
»Und das Mädchen?«
»Eine Zeitlang bekam sie bei meinem Anblick Krämpfe, sie war überzeugt, ich würde sie schließlich doch auffressen. Aber nach einem Monat aßen wir schon am selben Tisch, plauderten und unternahmen lange Spaziergänge. Aber
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