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Der letzte Wunsch

Der letzte Wunsch

Titel: Der letzte Wunsch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Sapkowski
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Geralt, sag mir, was ich bin. Siehst du nicht, dass ich vor Neugier zittere?«
    »Du bist kein Ungeheuer. Sonst könntest du dieses Silbertablett nicht berühren. Und mein Medaillon hättest du erst recht nicht in die Hand genommen.«
    »Ha!«, brüllte Nivellen so laut, dass die Kerzenflammen für einen Augenblick waagerecht standen. »Heut ist ohne Zweifel ein Tag, da große, schreckliche Geheimnisse enthüllt werden! Gleich werde ich erfahren, dass mir diese Ohren gewachsen sind, weil ich als Kind keine Haferflocken mochte!«
    »Nein, Nivellen«, sagte Geralt ruhig. »Es ist infolge einer Verwünschung geschehen. Ich bin sicher, dass du weißt, wer dich verwünscht hat.«
    »Und wenn ich’s weiß, was dann?«
    »Eine Verwünschung kann man aufheben. In vielen Fällen.«
    »Du als Hexer kannst natürlich Verwünschungen aufheben. In vielen Fällen?«
    »Kann ich. Soll ich es versuchen?«
    »Nein. Sollst du nicht.«
    Das Ungeheuer öffnete den Rachen und ließ die rote Zunge heraushängen, die zwei Spannen lang war. »Dir hat’s die Sprache verschlagen, was?«
    »Stimmt«, gab Geralt zu.
    Das Ungeheuer kicherte und machte sich im Sessel breit. »Ich wusste, dass es dir die Sprache verschlagen würde«, sagte es. »Schenk dir noch etwas ein, setz dich bequem hin. Ich erzähle dir die ganze Geschichte. Hexer oder nicht, du machst ’nen guten Eindruck, und ich hab Lust zum Plaudern. Schenk dir ein.«
    »Da ist nichts mehr drin.«
    »Ach, verdammt.« Das Ungeheuer knurrte etwas und schlug abermals mit der Pfote auf den Tisch. Neben den beiden leeren Karaffen erschien wer weiß woher ein ziemlich großer bauchiger Tonkrug in einem Weidenkorb. Nivellen riss mit den Zähnen das Wachssiegel ab.
    »Wie du gewiss bemerkt hast«, begann er, während er einschenkte, »ist die Gegend ziemlich verlassen. Bis zu den nächsten menschlichen Ansiedlungen ist es ein ganzes Ende Weg. Denn weißt du, mein Papa und auch mein Opa haben seinerzeit weder bei den Nachbarn noch bei den Kaufleuten, die die Straße entlangzogen, besondere Zuneigung erworben. Jeder, der sich hierher verirrte, verlor im günstigsten Falle seine Habe, wenn ihn Papa vom Turm aus erblickte. Und ein paar von den nähergelegenen Siedlungen wurden niedergebrannt, weil Papa meinte, der Zins sei säumig gezahlt worden. Es gab kaum jemanden, der meinen Papa mochte. Außer mir natürlich. Ich habe schrecklich geweint, als sie eines Tages auf einem Wagen das brachten, was nach einem Hieb mit einem Bidenhänder von meinem Papa übrig war. Opa war damals schon nicht mehr als Räuber tätig, denn seit dem Tag, als er mit einem eisernen Morgenstern eins über den Schädel gekriegt hatte, stotterte er grauenhaft, sabberte und schaffte es selten rechtzeitig bis zum Abort. Es lief darauf hinaus, dass ich als Erbe die Truppe anführen musste.
    Jung war ich damals«, fuhr Nivellen fort, »ein richtiger Milchbart, also haben mich die Burschen von der Truppe um den Finger gewickelt. Ich habe sie, wie du dir denken kannst, im selben Maße geführt, wie ein dickes Ferkel ein Wolfsrudel führen kann. Alsbald begannen wir Dinge zu tun, die Papa, wenn er am Leben gewesen wäre, niemals zugelassen hätte. Ich will dir die Einzelheiten ersparen und sofort zur Sache kommen. Eines Tages kamen wir bis nach Gelibol, bei Mirt, und plünderten ein Heiligtum. Zu allem Unglück war da auch eine junge Priesterin.«
    »Was war das für ein Heiligtum, Nivellen?«
    »Weiß der Teufel. Aber es muss was Ungutes gewesen sein. Auf dem Altar, so viel weiß ich noch, lagen Schädel und Knochen, es brannte ein grünes Feuer, das bestialisch stank. Aber zur Sache. Die Jungs hielten die Priesterin fest und schälten sie aus den Klamotten, und dann sagten sie, ich müsse ein Mann werden. Also wurde ich ein Mann, ich Dämlack. Während ich das wurde, spuckte mir die Priesterin auf den Mund und sagte was.«
    »Was?«
    »Dass ich ein Ungeheuer in Menschengestalt bin, dass ich eins in der Gestalt eines Ungeheuers sein würde, irgendwas von Liebe, von Blut, ich weiß nicht mehr. Das Stilett, so ein kleines, trug sie wohl im Haar versteckt. Sie brachte sich um, und dann ... Wir sind dort schleunigst verschwunden, Geralt, ich sag dir, beinahe hätten wir die Pferde zuschanden geritten. Das war ein ungutes Heiligtum.«
    »Red weiter.«
    »Weiter geschah, was die Priesterin gesagt hatte. Nach ein paar Tagen wache ich früh auf, und die Diener, sobald sie mich sehen, brüllen los und rennen weg. Ich zum Spiegel ...

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