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Der letzte Wunsch

Der letzte Wunsch

Titel: Der letzte Wunsch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Sapkowski
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auf. »Das ist alles? Wirklich, ich sehe, dass man dich nicht mit dem ersten Besten zum Staunen bringen kann. Ich habe dir gesagt, dass dieses Haus meine Befehle ausführt. Hier entlang bitte. Vorsicht, die Treppe ist steil. Licht!«
    Auf der Treppe wandte sich das Ungeheuer um. »Irgendwas baumelt dir da am Halse, Gast! Was ist das?«
    »Schau’s dir an.«
    Das Geschöpf nahm das Medaillon in die Pfote, hob es ans Auge, dass sich die Kette um Geralts Hals leicht spannte. »Einen unschönen Gesichtsausdruck hat dieses Tier. Was ist das?«
    »Ein Zunftabzeichen.«
    »Aha, du befasst dich sicherlich mit der Herstellung von Maulkörben. Hierher bitte. Licht!«
    Die Mitte des großen Zimmers, das keinerlei Fenster besaß, nahm ein gewaltiger eichener Tisch ein. Er war völlig leer, abgesehen von einem großen Leuchter aus grün verfärbtem Messing, an dem Girlanden erstarrten Wachses hingen. Auf einen weiteren Befehl des Ungeheuers gingen die Kerzen an, begannen zu flackern und erhellten das Innere etwas.
    Eine der Zimmerwände war mit Waffen behängt – hier hingen Kompositionen aus runden Schilden, gekreuzten Partisanen, Spießen und Gläfen, schweren Panzerstechern und Äxten. Die Hälfte der angrenzenden Wand nahm die Feuerstelle eines riesigen Kamins ein, über dem Reihen von Porträts hingen, deren Farben verblasst waren und sich ablösten. Die Wand gegenüber dem Eingang war voller Jagdtrophäen – die Schaufeln von Elchen und ausladende Hirschgeweihe warfen lange Schatten auf die zähnefletschenden Köpfe von Wildschweinen, Bären und Luchsen und auf die zerfaserten und ausgefransten Schwingen ausgestopfter Adler und Falken. Den Ehrenplatz in der Mitte nahm der braun gewordene, lädierte Kopf eines Felsdrachen ein, aus dem Stopfwerg hervorquoll. Geralt trat näher heran.
    »Den hat mein Opa erlegt«, sagte das Ungeheuer und schob einen riesigen Klotz ins Feuer. »Es war der Letzte in der Gegend, der sich erlegen ließ. Setz dich, Gast. Du bist hungrig, wie ich annehme?«
    »Das will ich nicht bestreiten, Hausherr.«
    Das Ungeheuer setzte sich zu Tisch, senkte den Kopf, verschränkte die haarigen Pfoten überm Bauch, murmelte eine Weile etwas und ließ dabei die riesigen Daumen kreisen, worauf es zurückhaltend aufbrüllte und mit der Pfote auf den Tisch schlug. Schüsseln und Teller klirrten zinnern und silbern, Pokale erklangen kristallen. Es roch nach Braten, Knoblauch, Majoran, Muskatnuss. Geralt zeigte keine Verwunderung.
    »So.« Das Ungeheuer rieb sich die Pfoten. »Das ist besser als Dienerschaft, nicht wahr? Bedien dich, Gast. Hier ist die Poularde, hier Schinken vom Wildschwein, hier Pastete von ... Ich weiß nicht wovon. Von irgendwas. Hier haben wir Haselhühner. Nein, verdammt, es sind Rebhühner. Ich hab die Sprüche verwechselt. Iss, iss. Es ist ordentliches, richtiges Essen, hab keine Angst.«
    »Ich habe keine Angst.« Geralt riss die Poularde in zwei Teile.
    »Ich hab vergessen«, schnaubte das Ungeheuer, »dass du nicht zu den Ängstlichen gehörst. Bei der Gelegenheit, wie heißt du?«
    »Geralt. Und du, Hausherr?«
    »Nivellen. Aber hier in der Gegend nennen sie mich die Missgeburt oder den Hauerzahn. Und sie benutzen mich als Kinderschreck.« Das Ungeheuer kippte sich den Inhalt eines riesigen Pokals in den Schlund, worauf es die Finger in der Pastete versenkte und rund die Hälfte mit einem Griff aus der Schüssel riss.
    »Als Kinderschreck«, wiederholte Geralt mit vollem Munde. »Sicherlich ohne Grund?«
    »Völlig. Auf dein Wohl, Geralt!«
    »Und auf deins, Nivellen.«
    »Wie ist der Wein? Hast du bemerkt, dass er aus Weinbeeren ist und nicht aus Äpfeln? Aber wenn er dir nicht schmeckt, zaubere ich anderen.«
    »Danke, dieser ist nicht übel. Die Zauberkräfte sind dir angeboren?«
    »Nein. Ich verfüge über sie, seitdem mir das da gewachsen ist. Die Fresse meine ich. Ich weiß selber nicht, wieso, aber das Haus erfüllt meine Wünsche. Keine großen; ich kann Essen zaubern, etwas zum Trinken, Kleidung, saubere Bettwäsche, heißes Wasser, Seife. Jedes Weib schafft das ohne Zauberei. Ich kann Fenster und Türen öffnen. Feuer machen. Nichts Großes.«
    »Immerhin was. Und diese ... wie du sagst, Fresse – hast du die schon lange?« »Seit zwölf Jahren.«
    »Wie ist das gekommen?«
    »Was geht’s dich an? Schenk dir noch ein.«
    »Gern. Nichts geht es mich an, ich frage aus Neugier.«
    »Ein verständlicher und annehmbarer Grund.« Das Ungeheuer lachte laut. »Aber ich akzeptiere

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