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Der letzte Wunsch

Der letzte Wunsch

Titel: Der letzte Wunsch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Sapkowski
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würdest es fertigbringen, mich davon zu befreien?«
    »Ich habe nicht nur an solche Hilfe gedacht.«
    »Du hast meine Frage nicht beantwortet. Obwohl, du hast es wohl doch getan. Du brächtest es nicht fertig.«
    Geralt blickte ihm in die Augen. »Ihr habt damals Pech gehabt«, sagte er. »Unter allen Heiligtümern in Gelibol und dem Nimnar-Tale habt ihr euch ausgerechnet den Tempel von Coram Agh Ter ausgesucht, dem Löwenköpfigen Spinnengott. Um einen von einer Priesterin des Coram Agh Ter ausgesprochenen Fluch zu lösen, braucht es Wissen und Fähigkeiten, die ich nicht besitze.«
    »Und wer besitzt sie?«
    »Es interessiert dich also doch? Du hast gesagt, es sei gut so, wie es ist.«
    »Wie es ist, ja. Aber nicht, wie es vielleicht wird. Ich fürchte . . .«
    »Was fürchtest du?«
    Das Ungeheuer blieb in der Zimmertür stehen, wandte sich um. »Ich habe genug von deinen Fragen, Hexer, die du fortwährend stellst, statt auf meine zu antworten. Offensichtlich muss man dich anders fragen. Hör zu, seit einiger Zeit habe ich widerwärtige Träume. Vielleicht wäre ›ungeheuerliche‹ das bessere Wort. Habe ich Grund zur Furcht? Offen heraus, bitte.«
    »Hattest du nach einem solchen Traum, nach dem Erwachen, nie schmutzige Füße? Kiefernnadeln im Bett?«
    »Nein.«
    »Und hattest du . . .«
    »Nein. Offen heraus, bitte.«
    »Du fürchtest dich zu Recht.«
    »Kann man was dagegen tun? Offen heraus, bitte.«
    »Nein.«
    »Endlich. Gehen wir, ich begleite dich.«
    Während Geralt auf dem Hof die Satteltaschen richtete, strich Nivellen der Stute über die Nüstern, tätschelte den Hals. Plötze senkte erfreut den Kopf.
    »Die Tiere mögen mich«, sagte das Ungeheuer stolz. »Und ich sie auch. Meine Katze, obwohl sie erst weggelaufen ist, kam später wieder. Lange Zeit war sie das einzige Lebewesen, das mir im Unglück Gesellschaft leistete. Vereena hat auch . . .«
    Er stockte, verzog die Schnauze.
    Geralt lächelte. »Sie hat auch Katzen gern?«
    »Vögel.« Nivellen bleckte die Zähne. »Ich hab mich verraten, verdammt. Ach, was soll’s. Das ist nicht wieder so eine Kaufmannstochter, Geralt, und auch nicht wieder ein Versuch, in alten Märchen ein Körnchen Wahrheit zu finden. Es ist ernst. Wir lieben uns. Wenn du jetzt lachst, hau ich dir aufs Maul.«
    Geralt lächelte nicht einmal.
    »Deine Vereena«, sagte er, »ist wahrscheinlich eine Nixe. Weißt du das?«
    »Ich vermute es. Sie ist feingliedrig. Schwarzhaarig. Sie spricht selten, in einer Sprache, die ich nicht kenne. Sie isst keine Menschenspeise. Tagelang verschwindet sie im Walde, dann kommt sie wieder. Ist das typisch?«
    »Mehr oder weniger.« Der Hexer zog den Bauchgurt fest. »Du denkst sicherlich, sie würde nicht wiederkommen, wenn du ein Mensch würdest?«
    »Ich bin mir dessen sicher. Du weißt, wie sehr sich Nixen vor Menschen fürchten. Kaum jemand hat eine Nixe aus der Nähe gesehen. Aber ich und Vereena ... Ach, zum Teufel. Mach’s gut, Geralt.«
    »Mach’s gut, Nivellen.«
    Der Hexer stukte mit dem Stiefelabsatz gegen die Flanke der Stute, ritt zum Tor. Das Ungeheuer stiefelte neben ihm her.
    »Geralt?«
    »Ich höre.«
    »Ich bin nicht ganz so dumm, wie du denkst. Du bist auf der Spur eines der Kaufleute hergekommen, die neulich hier waren. Ist jemandem was passiert?«
    »Ja.«
    »Der Letzte war vor drei Tagen bei mir. Mit Tochter, übrigens nicht eine der Hübschesten. Ich habe dem Haus befohlen, alle Türen und Fenster zu schließen, und keinLebenszeichen von mir gegeben. Sie sind im Schlosshof herumgeirrt und wieder weggeritten. Das Mädchen hat eine Rose von Tantchens Strauch abgerissen und sich ans Kleid gesteckt. Such sie anderswo. Aber denk dran, die Gegend ist widerwärtig. Ich hab dir gesagt, nachts ist man im Walde nicht besonders sicher. Man hört und sieht hässliche Sachen.«
    »Danke, Nivellen. Ich werde an dich denken. Wer weiß, vielleicht finde ich jemanden, der . . .«
    »Vielleicht. Vielleicht auch nicht. Es ist mein Problem, Geralt, mein Leben und meine Strafe. Ich habe gelernt, es zu ertragen, habe mich dran gewöhnt. Wenn es schlimmer wird, werde ich mich auch dran gewöhnen. Und wenn es viel schlimmer wird, dann such niemanden, komm allein her und mach Schluss. Auf Hexerart. Mach’s gut, Geralt.«
    Nivellen drehte sich um und marschierte zügig zum Schlösschen. Er schaute kein einziges Mal zurück.

III
    Die Gegend war verlassen, wild, boshaft und feindselig. Geralt kehrte nicht bis zur Dämmerung auf die Straße

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