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Der letzte Wunsch

Der letzte Wunsch

Titel: Der letzte Wunsch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Sapkowski
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Tisches versammelten jüngeren und weniger wichtigen Grafen waren in Stimmung gekommen und stimmten in falschen Tönen das Liedchen vom gehörnten Böckchen und der rachsüchtigen, humorlosen Großmutter an.
    Ein kraushaariger Diener und der Hauptmann der Wache in den blau-goldenen Farben Cintras kamen zu Vissegerd gelaufen. Mit gerunzelter Stirn hörte der Hofmarschall die Meldung, stand auf, stellte sich hinter den Thron und murmelte tief herabgebeugt der Königin etwas zu. Calanthe warf Geralt einen raschen Blick zu, antwortete kurz, mit einem einzigen Wort. Vissegerd beugte sich noch tiefer, begann zu flüstern, die Königin blickte ihn scharf an, schlug wortlos mit der Hand gegen die Lehne des Throns. Der Hofmarschall verbeugte sich und gab einen Befehl an den Hauptmann der Wache weiter. Geralt hörte nicht, was es für ein Befehl war. Er bemerkte jedoch, wie sich Mäussack unruhig bewegte und Pavetta ansah – die Prinzessin saß reglos da, den Kopf gesenkt.
    Im Vorsaal erklangen schwere, metallisch klirrende Schritte, die das Stimmengewirr am Tisch übertönten. Alle hoben und wandten die Köpfe.
    Die näher kommende Gestalt war in eine Rüstung gekleidet, die aus Eisenplatten und mit Wachs behandeltem Leder bestand. Der gewölbte, kantige, schwarz und blau emaillierte Brustpanzer ging in einen Schurz aus einzelnen Streifen und kurze Beinschienen über. Die Panzerung der Schultern starrte vor scharfen stählernen Dornen, auch der Helm mit dem dicht gegitterten Visier, in Form einer Hundeschnauze vorgezogen, war mit Stacheln wie eine Kastanienschale besetzt.
    Klirrend und knirschend näherte sich der sonderbare Gast dem Tisch, blieb reglos dem Thron gegenüber stehen.
    »Hohe Frau Königin, ihr edlen Herren«, sprach der Ankömmling hinter dem Helmvisier hervor, während er sich steif verbeugte. »Verzeiht, dass ich das Festmahl störe. Ich bin Igel von Erlenwald.«
    »Sei gegrüßt, Igel von Erlenwald«, sagte Calanthe langsam. »Und nimm bei Tisch Platz. In Cintra freuen wir uns über jeden Gast.«
    »Danke, Königin.« Igel von Erlenwald verneigte sich abermals, legte die Hand in dem eisernen Handschuh an die Brust. »Ich komme jedoch nicht als Gast nach Cintra, sondern in einer wichtigen Angelegenheit, die keinen Aufschub duldet. Wenn es Königin Calanthe erlaubt, werde ich meine Sache sogleich vortragen, ohne eure Zeit zu verschwenden.«
    »Igel von Erlenwald«, erwiderte Calanthe scharf. »Die lobenswerte Sorge um unsere Zeit rechtfertigt nicht den Mangel an Ehrerbietung. Daran aber mangelt es, wenn du durch ein Eisengitter zu mir sprichst. Nimm also den Helm ab. Den Zeitverlust, der dadurch entsteht, werden wir gewiss ertragen.«
    »Mein Gesicht, Königin, muss vorerst verborgen bleiben. Mit deiner Erlaubnis.«
    Unter den Anwesenden ertönte zorniges Gemurmel, Murren, hier und da von halblauten Flüchen durchsetzt. Mit gesenktem Kopf bewegte Mäussack lautlos die Lippen. Der Hexer spürte, wie der Zauberspruch für einen Augenblick die Luft elektrisierte, sein Medaillon in Bewegung brachte. Calanthe schaute Igel aus zusammengekniffenen Augen an und trommelte mit den Fingern auf die Armlehne des Throns.
    »Ich erlaube es«, sagte sie schließlich. »Ich will annehmen, dass der Grund dafür gewichtig genug ist. Sprich also, was dich herführt, Igel ohne Gesicht.«
    »Ich danke für die Erlaubnis«, sagte der Ankömmling. »Um jedoch dem Urteil, es mangle mir an Ehrerbietung, zu begegnen, erkläre ich, dass es sich um ein ritterliches Gelübde handelt. Es ist mir nicht erlaubt, das Gesicht vor Mitternacht zu entblößen.«
    Mit einer achtlosen Handbewegung gab die Königin zu verstehen, dass sie die Erklärung akzeptierte. Mit der stachelbewehrten Rüstung klirrend, trat Igel vor.
    »Vor fünfzehn Jahren«, verkündete er laut, »hatte sich dein Gemahl, Frau Calanthe, der König Roegner, auf der Jagd in Erlenwald verirrt. Auf der vergeblichen Suche nach dem Weg fiel er vom Pferd in eine Schlucht und brach sich ein Bein. Er lag am Grunde und rief um Hilfe, doch ihm antworteten nur das Zischen der Schlangen und das Geheul der näher kommenden Werwölfe. Er wäre unweigerlich umgekommen, hätte er nicht Hilfe erhalten.«
    »Ich weiß, dass es so war«, bestätigte die Königin. »Und wenn du es auch weißt, kann ich mir denken, dass du es warst, der ihm half.«
    »Ja. Nur dank meiner Hilfe ist er heil und gesund ins Schloss zurückgekehrt. Zu dir, Herrin.«
    »Ich schulde dir also Dank, Igel von Erlenwald.

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