Der letzte Wunsch
Dieser Dank wird nicht dadurch geschmälert, dass Roegner, der Gebieter meines Herzens und Lagers, schon nicht mehr in dieser Welt weilt. Ich würde gern fragen, wie ich dir meine Dankbarkeit erweisen kann, ich fürchte jedoch, dass einen edlen Ritter, der ritterliche Gelübde ablegt und in allen Dingen dem ritterlichen Gesetz folgt, solch eine Frage kränken kann. Denn sie würde ja unterstellen, dass die Hilfe, die du dem König geleistet hast, nicht uneigennützig war.«
»Du weißt sehr wohl, Königin, dass sie es nicht war. Du weißt auch, dass ich gekommen bin, um die Belohnung in Empfang zu nehmen, die mir der König für die Lebensrettung versprochen hat.«
»Ach so?« Calanthe lächelte, doch in ihren Augen zuckten grüne Funken. »Du hast also den König am Grunde der Schlucht gefunden, wehrlos, verwundet, Schlangen und Ungeheuern zum Fraß ausgeliefert. Und erst, nachdem er dir eine Belohnung versprach, bist du ihm zu Hilfe geeilt? Und hätte er dir keine Belohnung versprechen können oder wollen, hättest du ihn dort gelassen, und ich wüsste bis heute nicht, wo seine Gebeine liegen? Ach, wie edel. Zweifellos wurde dein Verhalten seinerzeit von einem ganz besonderen ritterlichen Gelübde geleitet.«
Das Gemurmel unter den Anwesenden wurde stärker.
»Und heute kommst du, um deine Belohnung zu empfangen, Igel?«, fuhr die Königin fort und lächelte immer unheilvoller. »Nach fünfzehn Jahren? Du rechnest sicherlich mit den Zinsen der Summe, die sich seither angesammelt haben? Hier ist keine Zwergenbank, Igel. Du sagst, Roegner hätte dir eine Belohnung versprochen? Tja, es wird schwer angehen, ihn zu holen, damit er es bezeugt. Es wird wohl einfacher sein, dich zu ihm ins Jenseits zu schicken. Dort könnt ihr euch einigen, wer wem was schuldet. Ich habe meinen Gatten zu sehr geliebt, Igel, als dass ich den Gedanken verdrängen könnte, ich hätte ihn womöglich schon damals verloren, vor fünfzehn Jahren, wenn er sich nicht auf den Handel mit dir eingelassen hätte. Der Gedanke daran erweckt in mir keine allzu freundlichen Gefühle für deine Person. Weißt du, maskierter Fremder, dass du gegenwärtig hier in Cintra, in meinem Schloss und in meiner Gewalt, ebenso hilflos und dem Tode nahe bist wie damals Roegner am Grunde der Schlucht? Was wirst du mir anbieten, welchen Preis, welche Belohnung, wenn ich dir verspreche, dass du mit dem Leben davonkommst?«
Das Medaillon an Geralts Hals zuckte, vibrierte. Der Hexer warf einen raschen Blick auf Mäussack, den dieser durchdringend, sichtlich beunruhigt erwiderte. Er wandte leicht den Kopf, hob fragend eine Braue. Der Druide verneinte ebenso, wies mit einer kaum merklichen Bewegung des krausen Bartes auf Igel. Geralt war sich nicht sicher.
»Deine Worte, Königin«, rief der Ritter, »zielen darauf ab, mich einzuschüchtern. Und den Zorn der hier versammelten edlen Herren zu wecken. Die Abscheu deiner schönen Tochter Pavetta. Und vor allem sind deine Worte nicht wahr. Und du weißt das sehr wohl!«
»Mit anderen Worten, ich lüge wie gedruckt.« Auf Calanthes Lippen erschien eine sehr hässliche Grimasse.
»Du weißt sehr wohl, Königin«, fuhr der Fremde ungerührt fort, »was damals in Erlenwald geschehen ist. Du weißt, dass Roegner nach seiner Rettung selbst, aus eigenem Willen, geschworen hat, mir zu geben, was immer ich verlange. Ich rufe alle zu Zeugen für das auf, was ich jetzt sagen werde! Als der König, von dem Missgeschick errettet, von mir in die Nähe seines Gefolges geleitet worden war und zum zweiten Mal fragte, was ich verlangte, antwortete ich ihm. Ich bat, er möge mir das versprechen, was er daheim zurückgelassen hatte, ohne davon zu wissen und ohne es zu erwarten. Und der König schwor, so solle es geschehen. Und bei der Rückkehr ins Schloss fand er dich, Calanthe, im Kindbett vor. Ja, Königin, ich habe diese fünfzehn Jahre gewartet, und die Zinsen meiner Belohnung sind gewachsen. Nun, da ich die schöne Pavetta anschaue, sehe ich, dass sich das Warten gelohnt hat! Ihr Herren und Ritter! Ein Teil von euch ist nach Cintra gekommen, um die Hand der Prinzessin zu beanspruchen. Ich tue euch kund, dass ihr vergebens gekommen seid. Vom Tage ihrer Geburt an gehört kraft des königlichen Wortes die schöne Pavetta mir!«
Unter den Gästen brach ein Sturm los. Jemand schrie, jemand fluchte, jemand anders schlug mit der Faust auf den Tisch und warf Geschirr um. Lehnhuck von Strept riss ein Messer aus dem Hammelbraten und fuchtelte
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