Der letzte Wunsch
Eurem schönen, doch leisen Spiel zu lauschen. Draig Bon-Dhu, hör auf zu fressen und zu saufen! Mit dem einen wie dem anderen beeindruckst du hier keinen am Tisch. Nimm lieber deine Pfeifen und erfreue unsere Ohren mit anständiger Kampfmusik. Mit deiner Erlaubnis, edle Calanthe!«
»O Himmel«, flüsterte die Königin Geralt zu und hob für einen Moment den Blick in stummer Resignation zum Himmel. Doch sie gab mit einem Kopfnicken die Erlaubnis und lächelte ganz natürlich und wohlwollend.
»Draig Bon-Dhu«, sprach Eist. »Spiel uns das Lied von der Schlacht bei Chósebuz! Die lässt wenigstens keinen Zweifel über die taktischen Züge der Heerführer offen! Auch nicht darüber, wer sich dort mit unsterblichem Ruhm bedeckt hat! Auf das Wohl der heldenhaften Calanthe von Cintra!«
»Zum Wohle! Vivat!«, brüllten die Gäste und füllten Pokale und Tonbecher.
Draig Bon-Dhus Pfeifen gaben ein bösartiges Brummen von sich, worauf sie in ein furchterregendes, andauerndes, moduliertes Gestöhn ausbrachen. Die Gäste nahmen das Lied auf, indem sie den Rhythmus schlugen, das heißt, mit allem auf den Tisch hämmerten, was ihnen gerade in die Hände fiel. Gokgokling starrte gierig auf den Sack aus Ziegenhaut, zweifellos von dem Gedanken verhext, die aus seinem Inneren hervorquellenden Töne in sein Repertoire aufzunehmen.
»Chósebuz«, sagte Calanthe und blickte Geralt an, »meine erste Schlacht. Obwohl ich fürchte, den Widerwillen und Abscheu des stolzen Hexers zu erregen, will ich dir gestehen, dass wir damals um Geld gekämpft haben. Denn der Feind brannte ja die Dörfer nieder, die uns Abgaben zahlten, und statt es ihm zu erlauben, zogen wir, unersättlich und gierig, zu Felde. Ein banaler Anlass, eine banale Schlacht, banale dreitausend Leichen, von den Raben zerrissen. Und sieh nur – statt mich zu schämen, sitze ich hier stolz wie ein Pfau, dass ein Lied über mich gesungen wird. Und sei es zu so einer grauenhaften, barbarischen Musik.«
Abermals zwang sie die Parodie eines Lächelns voll Glück und Wohlwollen auf ihr Gesicht und hob den leeren Pokal, um auf die Trinksprüche zu antworten, die vom ganzen Tisch kamen. Geralt schwieg.
»Fahren wir fort.« Calanthe nahm eine Fasanenkeule, die ihr Philodor gereicht hatte, und begann sie elegant abzunagen. »Wie gesagt, du hast mein Interesse geweckt. Man hat mir gesagt, ihr Hexer seid eine merkwürdige Kaste, ich habe es nicht recht geglaubt. Jetzt glaube ich es. Wenn man gegen euch schlägt, gebt ihr einen Ton, der bezeugt, dass ihr aus Stahl geschmiedet seid und nicht aus Vogeldreck geknetet. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass du hier bist, um eine Aufgabe zu erfüllen. Und du wirst sie ohne Wenn und Aber erfüllen.«
Geralt vermied es, herablassend und boshaft zu lächeln, obwohl er große Lust dazu hatte. Er schwieg weiter.
»Ich dachte«, murmelte die Königin und tat so, als widme sie ihre ganze Aufmerksamkeit allein der Fasanenkeule, »dass du etwas sagen würdest. Oder dass du lächelst. Nein? Umso besser. Kann ich unsere Abmachung als geschlossen betrachten?«
»Unklare Aufgaben«, sagte der Hexer trocken, »kann man nicht klar ausführen, Königin.«
»Was ist da unklar? Du hast dir doch gleich alles gedacht. In der Tat, ich habe Pläne in Bezug auf eine Verbindung mit Skellige und die Ehe meiner Tochter Pavetta. In der Annahme, dass diese Pläne gefährdet sind, hast du dich auch nicht geirrt, selbst darin nicht, dass ich dich brauche, um diese Gefahr auszuschalten. Doch damit war dein Scharfsinn am Ende. Die Unterstellung, dass ich deinen Beruf mit dem Gewerbe eines gedungenen Mörders verwechsle, hat mich sehr getroffen. Nimm zur Kenntnis, Geralt, dass ich zu den wenigen Herrschern gehöre, die genau wissen, womit sich Hexer befassen und wozu man sie anstellen muss. Wenn andererseits jemand wie du Menschen ebenso geschickt umbringt, wenn auch nicht für Geld, dann darf er sich nicht wundern, dass viele ihm auch das als Beruf zuschreiben. Dein Ruhm eilt dir voraus, Geralt, er ist lauter als Draig Bon-Dhus verdammter Dudelsack. Und es gibt darin ebenso wenig angenehme Noten.«
Der Dudelsackpfeifer konnte zwar die Worte der Königin nicht gehört haben, beendete aber sein Konzert. Die Gäste belohnten ihn mit wild gellenden Hochrufen, worauf sie sich mit neuem Eifer der Vernichtung der Vorräte an Speise und Trank widmeten, der lautstarken Erinnerung an den Verlauf verschiedener Schlachten und unanständigen Witzen über Weiber.
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