Der Leuchtturm am Ende der Welt
›Century‹ auf ihrem steinigen Bette. Unter dem Drucke des Windes hatte sich das Hinterteil des Rumpfes ein wenig gedreht und dieses dann, als er ins Innere hineindringen konnte, ein wenig nach dem Strande zu vorwärts gedrängt. Hier rollte es gleich einer ihres Bodens beraubten Tonne hin und her, und wurde endlich an einer Kante der Steilküste völlig zerschellt. An der von tausend Trümmern bedeckten Strandungsstelle lag jetzt nur noch die zweite Hälfte des Dreimasters.
Vasquez kehrte also zurück und streckte sich neben John Davis auf dem Sandboden aus. Der Obersteuermann der ›Century‹ gewann allmählich seine Kräfte wieder. Er hätte sich schon erheben und, auf den Arm seines Begleiters gestützt, nach dem Strande hinuntergehen können. Dieser hielt ihn jedoch zurück, und nun fragte John Davis nochmals, warum in der vergangnen Nacht das Leuchtfeuer nicht angezündet gewesen wäre.
Vasquez schilderte ihm darauf alle die abscheulichen Vorkommnisse, deren Schauplatz die Elgorbucht seit sieben Wochen gewesen war. Nach der Abfahrt des Avisos ›Santa-Fé‹ war mit dem Leuchtturm, dessen Bedienung ihm, Vasquez, und seinen zwei Kameraden, Felipe und Moriz, anvertraut worden war, etwa zwei Wochen lang alles in Ordnung gewesen. In diesem Zeitraume kamen verschiedene Schiffe in Sicht der Insel, gaben ihre Signale und erhielten auch die vorschriftsmäßige Antwort.
Am 26. Dezember war aber am Abend gegen acht Uhr eine Goelette an der Einfahrt der Bucht erschienen. Vom Wärterzimmer aus, wo Vasquez eben die Wache hatte, hatte er deren Positionslichter deutlich sehen können und das ganze Manöver des Schiffes beobachtet. Seiner Ansicht nach mußte der Kapitän, der das Fahrzeug führte, den Weg, den er zu verfolgen hatte, schon genau kennen, denn er steuerte ohne Zögern über die Fläche der Bucht hin.
Die Goelette erreichte schließlich einen kleinen Landeinschnitt dicht unter der Einfriedigung des Leuchtturmes und ging da vor Anker.
Daraufhin begaben sich Felipe und Moriz, die aus dem Wohnhause gekommen waren, an Bord, um dem Kapitän ihre Dienste anzubieten, hier wurden sie aber, ohne sich überhaupt wehren zu können, meuchlerisch ermordet.
»Die armen, unglücklichen Leute! rief John Davis.
– Ja, meine unglücklichen Gefährten! wiederholte Vasquez, in dem der Gram bei dieser schmerzlichen Erinnerung aufs neue erwachte.
– Und ihr, Vasquez? fragte John Davis weiter.
– Ich, ich hatte oben auf der Turmgalerie die Rufe meiner Kameraden gehört und durchschaute sofort, was geschehen war. Die Goelette war ein Seeräuberschiff. Wir waren hier drei Wärter; zwei davon hatten sie umgebracht und um den dritten machten sie sich offenbar keine besondere Sorge.
– Wie habt ihr den Mordgesellen aber entkommen können? fragte noch John Davis.
– Ich eilte schleunigst die Treppe des Leuchtturmes hinunter, flüchtete zunächst in unsre Wohnung, wo ich einige Kleidungsstücke und Nahrungsmittel zusammenraffte, und entfloh dann, was die Beine hergeben wollten, ehe die Mannschaft der Goelette ans Land gesetzt war.
– Die Elenden!… Die ruchlosen Schurken! rief John Davis wiederholt. Sie sind also die Herren des Leuchtturmes, den sie nicht mehr in Betrieb halten. Sie sind es, die an dem Schiffbruch der ›Century‹, an dem Tode meines Kapitäns und aller unsrer Leute die Schuld tragen!
– Ja, sie sind die Herren des Turmes, sagte Vasquez, und da es mir gelang, ein Gespräch des Anführers mit einem seiner Gefährten zu belauschen, habe ich kennen gelernt, was die Verbrecher im Schilde führten.«
John Davis erfuhr nun, wie die schon mehrere Jahre auf der Stateninsel hausenden Räuber Schiffe ins Verderben lockten und die Überlebenden von solchen Schiffbrüchen herzlos hinmordeten. Alles Strandgut nur von einigem Werte war dann in einer Höhle aufgespeichert worden in der Erwartung, daß Kongre sich noch einmal eines brauchbaren Schiffes bemächtigen könnte. Dann, als die Bauarbeiten für den Leuchtturm begannen, mußte die Bande die Elgorbucht verlassen und sich nach dem Kap Saint-Barthelemy am andern Ende der Stateninsel zurückziehen, wo niemand etwas von ihrer Anwesenheit ahnte.
Nach Vollendung der Arbeiten kehrten die Burschen zurück; es mußte mehr als ein Monat verstrichen sein, dann aber kam Kongre in Besitz einer vor dem Kap Saint-Barthelemy gestrandeten Goelette, deren Besatzung umgekommen war.
»Wie kommt es aber, daß das Schiff mit der Beute der Raubgesellen noch nicht abgesegelt ist?
Weitere Kostenlose Bücher