Der Leuchtturm am Ende der Welt
Steilufers zu. Hin und her gehend, kamen sie zwei-oder dreimal vor den zwei Felsensäulen vorüber, hinter denen die Grotte lag. Vasquez und John Davis konnten dabei verstehen, was sie sprachen.
»Es wird immer noch unmöglich sein, morgen auszulaufen.
– Ja freilich; ich fürchte sogar, daß das Unwetter noch mehrere Tage anhält.
– Nun, wir haben ja durch die Verzögerung nichts verloren…
– Das wohl, doch ich hoffte, in einem Amerikaner von diesem Tonnengehalte noch mehr zu finden. Der letzte, den wir auf die Klippen verlockt haben, brachte uns fünfzigtausend Dollars ein.
– Ja, Schiffbrüche folgen einer auf den andern, sie gleichen einander aber nicht, entgegnete Carcante mit philosophischem Gleichmute. Hier haben wir’s mit armen Teufeln zu tun gehabt… das ist alles!«
John Davis hatte in seiner Wut einen Revolver erhoben und hätte in überschäumendem Zorne dem Anführer der Bande den Schädel zerschmettert, wenn es Vasquez nicht gelungen wäre, ihn im letzten Augenblicke noch einmal zurückzuhalten.
»Ja, ihr habt recht, sagte John Davis etwas beruhigter. Ich kann aber den Gedanken nicht los werden, daß diese elenden Schurken unbestraft bleiben sollten. Und doch… wenn ihre Goelette die Insel einmal verlassen hat, wo könnte man sie wiederfinden, wo die Räuberrotte verfolgen?
– Der Sturm scheint sich noch nicht zu legen, bemerkte Vasquez. Selbst wenn der Wind stiege (d. h. von Süden nach Norden umschlüge), bliebe das Meer noch tagelang stark aufgewühlt. Nein, glaubt mir nur, sie sind vorläufig noch nicht fort von hier.
– Gewiß, Vasquez; doch eurer Rede nach wird der Aviso vor Anfang nächsten Monats nicht hier eintreffen.
– Vielleicht auch etwas eher, Davis, wer kann das wissen?
– Gott geb’ es, Vasquez, Gott geb’ es!«
Augenscheinlich nahm die Gewalt des Sturmes jetzt noch nicht im geringsten ab, und unter dieser Breite dauern derartige atmosphärische Störungen selbst in der guten Jahreszeit zuweilen volle vierzehn Tage an. Blies der Wind von Süden, so führte er die Dünste des antarktischen Eismeers herauf, und dann trat auch sehr bald eine winterliche Witterung ein. Schon mußten die Walfänger daran denken, die Polargegenden zu verlassen, denn vom März an bildet sich vor der Packeiswand bereits das neue Eis.
Trotzdem war zu befürchten, daß in der Atmosphäre binnen vier bis fünf Tagen Ruhe eintreten würde, die die Goelette dann jedenfalls zum Auslaufen benutzte.
Es war vier Uhr geworden, als Kongre und seine Leute sich wieder einschifften. Das Segel gehißt, verschwand die Schaluppe, die dem nördlichen Ufer folgte, schon nach sehr kurzer Zeit.
Gegen Abend verschlimmerten sich noch die Windstöße. Ein kalter, schneidender Regen strömte von den aus Südwesten herausgezogenen Wolken hernieder.
Vasquez und John Davis konnten ihre Höhle nicht verlassen. Die Kälte wurde so empfindlich, daß sie Feuer anzünden mußten, sich zu erwärmen; das taten sie tief im Hintergrunde der engen Grotte. Da das Ufergelände leer und es schon sehr dunkel war, hatten sie dabei nichts zu fürchten.
Eine schreckliche Nacht! Das Meer schlug bis an den Fuß des Steilufers heran. Man hätte glauben mögen, daß sich ein Mascaret (eine riesige Welle, die in manche Flüsse urplötzlich eindringt) oder ein mächtiger Springflutstrom über die Küste der Insel hinwälzte.
Man sah sie verschiedene Kisten und Ballen herausschaffen. (S. 134.)
Dabei brauste der Sturm heulend bis zum Hintergrunde der Bucht hinein, so daß Kongre die größte Mühe hatte, die ›Carcante‹ an ihrem Ankerplatz zu halten.
»Wenn sie dabei doch in Stücke ginge, rief John Davis wiederholt, damit ihre Trümmer mit der nächsten Ebbe ins Meer hinausgespült würden!«
Vom Rumpfe der ›Century‹ waren am nächsten Morgen nur noch Trümmer übrig, die zwischen den Felsen eingekeilt oder auf dem Strande zerstreut umherlagen.
Vasquez und sein Gefährte beeilten sich, beim ersten Morgengrauen zu entdecken, ob der Sturm nun wohl den Gipfel seiner Heftigkeit erreicht hätte.
Nein, das war noch nicht der Fall. Es erschien fast unmöglich, sich einen solchen Aufruhr der Elemente vorzustellen. Das Wasser vom Himmel vereinigte sich tatsächlich mit dem vom Meere. Auch den ganzen Tag und die darauffolgende Nacht trat hierin keine Änderung ein. Im Laufe dieser achtundvierzig Stunden zeigte sich kein Schiff in der Nähe der Insel, denn selbstverständlich hielten sich alle Seefahrer um jeden Preis
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