Der Leuchtturm am Ende der Welt
fern von diesen gefährlichen Küsten des Magellanslandes, die den Sturm sozusagen aus erster Hand bekamen. Weder in der Magellans-noch in der Le Mairestraße hätten sie vor der Wut eines solchen Orkans genügenden Schutz gefunden. Ihr Heil lag einzig in der Flucht und sie mußten die freie Meeresfläche vor ihrem Steven zu behalten suchen.
Wie John Davis und Vasquez es vorausgesehen hatten, war der Rumpf der ›Century‹ vollständig zerschlagen, und zahllose Trümmer davon bedeckten den Strand bis zum Grunde des Steilufers.
Glücklicherweise brauchte die Frage nach ihrer Ernährung Vasquez und seinem Gefährten keine Sorge zu machen. Mit den aus der ›Century‹ herrührenden Konserven hätten sie sich auch einen Monat lang bequem sättigen können. Bis dahin, vielleicht schon in zehn bis zwölf Tagen, mußte die ›Santa-Fé‹ aber in Sicht der Insel aufgetaucht sein. Das schreckliche Unwetter war dann jedenfalls vorüber, und dem Aviso konnte es keine Schwierigkeit bereiten, das Kap Sankt-Johann zu erkennen.
Von dem so sehnsüchtig erwarteten Fahrzeuge sprachen die Beiden sehr häufig.
»Möchte nur der Sturm andauern, um die Goelette am Auslaufen zu verhindern, nur so lange, bis die ›Santa-Fé‹ hier eingetroffen ist, das ist mein einzigster Wunsch! rief Vasquez seinem Genossen zu.
– O, erwiderte John Davis, wenn wir über Wind und Wasser zu gebieten hätten, wäre das eine leichte Sache.
– Leider liegt das aber allein in Gottes Hand.
– Er wird jedoch nicht wollen, daß diese Elenden der Strafe für ihre Schandtaten entgehen!« versicherte John Davis, der sich annähernd derselben Worte bediente, die Vasquez früher gebraucht hatte.
Beide waren erfüllt von demselben Hasse, demselben Durst nach Vergeltung, beide nährten nur den einen Gedanken: Rache!
Am 21. und 22. änderte sich die Lage der Dinge nicht, wenigstens nicht merkbar. Höchstens verriet der Wind Neigung, nach Nordosten umzuschlagen. Nach einer Stunde zeitweiligen Wechselns ging er aber wieder zurück und überschüttete die Insel aufs neue mit seinem Gefolge von Regenströmen und Windstößen.
Natürlich war von Kongre oder einem der Seinigen unter diesen Umständen noch nichts wieder zu sehen gewesen. Diese waren jedenfalls in Anspruch genommen, die Goelette in dem Landeinschnitte, den die vom Sturme noch mehr angeschwellte Flutwoge bis zum Uferrande füllte, vor neuen Havarien zu bewahren.
Am Morgen des 23. besserten sich die Witterungsverhältnisse ein wenig. Nach einigem Schwanken schien der Wind aus Nordnordost stetiger zu werden. Erst seltnere und kleinere, später ausgedehntere helle Stellen legten den südlichen Horizont mehr frei. Der Regen hörte allmählich auf, und wenn auch der heftige Wind fortbestand, so klärte er doch nach und nach den Himmel. Das Meer freilich war noch furchtbar aufgewühlt, und donnernd brachen sich noch immer die Wogenberge am Ufer. Auch der Eingang zur Bucht war kaum befahrbar, und jedenfalls konnte die Goelette weder an diesem noch am nächsten Tage abfahren.
Sollten nun Kongre und Carcante die etwas ruhigere Zeit benutzen, sich nach dem Kap Sankt-Johann zu begeben, um das Meer zu besichtigen? Das war möglich, sogar wahrscheinlich, und deshalb durfte keine Vorsicht vernachlässigt werden.
Gar so früh am Morgen war ihr Erscheinen aber kaum zu erwarten. John Davis und Vasquez wagten sich daraufhin auch aus ihrer Höhle, die sie seit achtundvierzig Stunden nicht verlassen hatten.
»Wird sich der Wind, wie er jetzt ist, halten? fragte Vasquez.
– Das fürchte ich, antwortete John Davis, den sein seemännischer Instinkt kaum jemals täuschte. Wir hätten aber noch zehn Tage schlechtes Wetter behalten müssen… zehn Tage… und nun wird das nicht der Fall sein.«
Mit gekreuzten Armen dastehend, betrachtete er den Himmel und das Meer.
Da sich Vasquez aber einige Schritte weit entfernt hatte, ging er ihm längs der Uferwand nach.
Plötzlich stieß er mit dem Fuße nahe an einem Felsblocke an einen halb im Sande begrabenen Gegenstand, der dabei einen metallischen Klang hören ließ. Er bückte sich und erkannte sofort einen Behälter von seinem Schiffe, der sowohl Pulver für Gewehre, als auch solches für die vier Karonaden enthielt, die die ›Century‹ zu Signalschüssen gebraucht hatte.
»Wir können leider nichts damit anfangen, sagte er. Ach, wenn es möglich wäre, das im Rumpfe der Goelette zu entzünden, die jene Raubgesellen trägt!
– Daran ist nicht zu denken,
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