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Der Leuchtturm von Alexandria

Der Leuchtturm von Alexandria

Titel: Der Leuchtturm von Alexandria Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gillian Bradshaw
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diesem oder jenem Flüchtling wissen mag, er würde seinen hippokratischen Eid auf keinen Fall brechen«, meinte er. »Der ist für ihn wichtiger als ein kaiserlicher Erlaß. Ich glaube nicht, daß er dir etwas sagen würde, es sei denn, du foltertest ihn bis zum Äußersten. Und, vortrefflicher und barmherziger Palladios, ich bitte dich, das nicht zu tun. Mir zu Gefallen.«
    »Warum verteidigst du diesen… diesen kastrierten Ketzer?« fragte Lucius ihn wütend.
    »Weil er mir das Leben gerettet hat«, erwiderte Athanaric gelassen. »Wenn er nicht gewesen wäre, wäre ich an einem Fieber gestorben. Und da, wo wir herkommen, sind wir der Meinung, daß uns dies zu Schuldnern macht.«
    »Blutschuld!« sagte Lucius. Er erhob sich und grinste Athanaric hämisch an. »Ein heidnischer Gedanke; ein barbarischer Gedanke; törichte und wertlose gotische Gefühlsduselei!«
    Athanaric wurde rot. »Vielleicht. Aber ich ziehe sie deiner römischen Grausamkeit vor, allerchristlichster Erzbischof.« Er wandte sich wieder dem Präfekten zu. »Darüber hinaus, vortrefflicher Palladios, könnte dieser Chariton dem Staat von großem Nutzen sein, wenn du ihn am Leben läßt. Falls du ihn auf der Folter tötest, verrät er dir vielleicht ein paar wertlose Namen von Leuten, die wahrscheinlich längst auf und davon sind, bis du nach ihnen suchen läßt. Doch wenn er am Leben bleibt, könnte er ein Werkzeug sein, die Armeen ihrer geheiligten Majestäten zu stärken, und außerdem eine Möglichkeit für dich, deinen Amtsgenossen in Thrazien einen Gefallen zu erweisen.«
    »Wieso?« fragte Palladios, und es war ihm förmlich anzusehen, wie er die Ohren spitzte. »Was soll das heißen?«
    »Schicke ihn zur Arbeit in ein Militärhospital«, erwiderte Athanaric.
    »Warst du einmal in einem Hospital an der Donaufront? Die Ärzte in derartigen Hospitälern sind unfähige Quacksalber. Ich wußte nicht, wie schlecht sie sind, bis ich einem wirklichen Anhänger des Hippokrates begegnete wie unserem Gefangenen hier. Sie bringen mehr Männer um, als sie gesund machen. Aber hippokratische Ärzte wollen eben nicht in Militärhospitälern irgendwo am Ende der Welt arbeiten. Sie verbringen ihre Zeit lieber damit, die gereizten Nerven irgendwelcher Damen zu besänftigen, oder sie behandeln vielleicht sogar den alexandrinischen Pöbel und überlassen unsere Soldaten den Schlächtern und Zauberern. Nun, ich kenne den Heerführer von Skythien; er wäre hocherfreut, einen guten alexandrinischen Arzt zu bekommen, einen Absolventen des Museums, der ihm sein Hospital auf Vordermann bringt. Wenn du einen Vertrag aufsetzen willst, vorzüglichster Palladios, und Chariton willigt ein, ihn zu unterschreiben, hättest du das Vergnügen, dir den Heerführer Sebastianus zum Schuldner zu machen, den Interessen des Staates zu dienen und deine Stadt von einem Anhänger der athanasischen Partei zu befreien, und das alles auf einmal.«
    Palladios atmete hörbar aus, seufzte und sah mich nachdenklich an.
    »Warum solltest du ihn laufen lassen?« begehrte Lucius zu wissen, der merkte, daß er drauf und dran war, das Spiel zu verlieren, und nur noch wütender wurde. »Er weiß bestimmt etwas über unsere Feinde. Laß ihn foltern, und dann warten wir ab, ob er spricht.«
    »Laß ihn foltern, laß ihn auspeitschen, laß ihn töten!« rief Palladios gereizt und drehte sich zum Erzbischof um. »Das ist alles, was du sagen kannst. Ich schwöre bei allen Göttern, ihr Bischöfe seid blutdürstiger als irgendwelche barbarischen Menschenfresser! Wozu soll es denn gut sein, einen Arzt umzubringen? Der höchst edle Athanaric hat recht: Der Eunuch ist von größerem Nutzen, wenn er Soldaten in Thrazien zusammenflickt. Nun gut, Chariton aus Ephesus«, erneut wandte er sich mir zu und überließ es Lucius, vor Wut an seinen Nägeln zu kauen und ihn mit aufgebrachten Blicken zu traktieren. »Wärest du bereit, einen solchen Vertrag zu unterschreiben?«
    Ich fühlte mich sehr wacklig in den Knien und mußte mehrmals schlucken, bevor ich antworten konnte. Ich hatte das ganze Ausmaß meiner Angst erst gespürt, als ich zu hoffen begann, ich könne noch einmal davonkommen. »Nichts lieber als das«, sagte ich schließlich.
    Es war nicht ganz klar, wer für das Aufsetzen des Vertrages, der mich zu einem Armeearzt machte, zuständig war. Schließlich wurde der Notar in das Büro des ägyptischen Heerführers geschickt, der solche Dinge mit dem Steuereinnehmer zu erledigen pflegte. Ich mußte warten,

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