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Der Leuchtturm von Alexandria

Der Leuchtturm von Alexandria

Titel: Der Leuchtturm von Alexandria Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gillian Bradshaw
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hatte ich ein Arztdiplom des Museums und die zweifelhafte Auszeichnung, der Leibarzt des Erzbischofs gewesen zu sein. Alles in allem hatte ich meine Sache gar nicht so schlecht gemacht. Und ein paar Jahre Erfahrung an der Donaufront – so sagte ich mir – könnten nicht von Schaden sein. Laut Athanaric waren gute Ärzte dort Mangelware, und ich würde eine Chance haben, mein Können zu beweisen. Es gelang mir, ein fröhliches Gesicht zu machen und tapfer zu lächeln, als ich mich von Philon und seiner Familie verabschiedete.
    Aber als das Schiff am Leuchtturm des Pharos vorbeiglitt und seine Segel in den Wind stellte, blickte ich zurück auf die rings um den Hafen aufblitzende Stadt und mußte weinen. Alexandria, die brodelndste Stadt des Imperiums: schmutzig, gefährlich, gewalttätig – und als ich sie verlassen mußte, weinte ich, wie ich nicht einmal geweint hatte, als ich mein eigenes Zuhause verließ. Die Stadt ist weitaus mehr als nur die Heimat ihrer Bewohner. Genau wie der Pharos erhebt sie sich auf spröden Felsen und wirft ihr Licht weit hinaus in die Wüste der Dunkelheit.

Dritter Teil   THRAZIEN

1
    Ich traf Anfang Oktober desselben Jahres, in dem Athanasios gestorben war, in Thrazien ein. Die Reise von Alexandria dorthin war angenehm. Weil ein für die Jahreszeit ungewöhnlich mildes Wetter herrschte und weil es andererseits schon spät im Jahr war, segelte der Schiffsherr nicht die syrische Küste hinauf, sondern steuerte sein Segelschiff direkt durch die offene See nach Kreta. Dort nahmen wir frisches Wasser an Bord, segelten so rasch wie möglich zwischen den griechischen Inseln hindurch und hielten Kurs auf den Bosporus, um die letzten schönen Tage auszunutzen. Früh am Morgen des 25. September erreichten wir Konstantinopel. Der Hafen schimmerte sanft im Licht des Morgens, und die Stadt schien dem Wasser wie eine Vision des himmlischen Jerusalem zu entsteigen; ihre Kuppeln und Paläste färbten sich in den ersten Strahlen der Sonne golden. Auf den Hafenkais riefen die Verkäufer ihre Waren aus: frische Feigen und Melonen, heiße Sesamkuchen! Seemöwen breiteten ihre weißen Flügel über das blitzende Wasser und schossen auf ein paar Bissen Abfall herunter, die in das Hafenbecken geworfen wurden.
    Das Schiff mußte einen Teil seiner Getreidefracht in ein kleineres Segelschiff umladen, das diese Ladung dann – zusammen mit mir – über das Schwarze Meer nach Norden bringen würde. Die Fracht sollte in Histria ausgeladen und von dort mit Hilfe von Booten den Fluß hinaufbefördert werden. Dieses kleinere Schiff wartete bereits am Pier, als das Schiff aus Alexandria einlief, und sein Schiffsherr kam sofort an Bord. »Ich will so schnell wie möglich auslaufen!« verkündete er der Mannschaft. »Wer weiß, wie lange der Wind sich noch hält! Ich will die Reise vor dem Winter hinter mich bringen. Wenn man an den Piers von Konstantinopel festliegt, kann man kein Geld verdienen!«
    Die Luken wurden also geöffnet, und die Hafenarbeiter begannen damit, die Kornballen an Deck zu schleppen, sie auf Handkarren zu laden und diese zum anderen Schiff hinüberzurollen. Ich hätte Thorion gern wiedergesehen, aber es blieb keine Zeit zu einem Besuch in der Stadt.
    Von Konstantinopel aus segelten wir in Richtung Nordwesten, dicht an der Küste des Schwarzen Meeres entlang. Das schöne Wetter hielt sich, und das Schwarze Meer gebar keinen seiner tückischen Stürme. Die Unruhe des Schiffsherrn ließ merklich nach, und er legte unterwegs in mehreren kleinen Häfen an, um Wasser und frisches Obst an Bord zu nehmen. In einem dieser Häfen – es war Odessus – hörten wir, Sebastianus, der Heerführer der thrazischen Provinz Skythien, berate sich gerade mit dem Oberfeldherrn Thraziens in Marcianopolis. Da ich unter Sebastianus’ Befehl stehen würde, hatte es keinen Zweck, in sein Hauptquartier nach Tomis weiterzureisen und dort auf ihn zu warten. Deshalb ging ich in Odessus von Bord und machte mich auf den Weg nach Marcianopolis, das zwanzig Meilen flußaufwärts von diesem Hafen liegt.
    Es gab eine Menge Boote, die von Odessus aus flußaufwärts nach Marcianopolis segelten und sowohl Fische und importierte Güter als auch Passagiere mit sich führten. Ich bezahlte also ein paar Kupfermünzen, um mich und meine Reisetruhe auf einem von ihnen unterzubringen. Zwei weitere Passagiere kletterten an Bord, eine Frau mit einem Ballen importierter wollener Gewänder und ein Mann mit ein paar Fischen und zwei großen

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