Der Leuchtturm von Alexandria
wurde dem Propheten Hippokrates offenbart, dem eingeborenen Sohn des Gottes der Heilung, dessen Wort sein Gesetz ist – ausgenommen vielleicht, was die Dosierung von Nieswurz anbetrifft, über die Chariton seine eigenen ketzerischen Ansichten hegt. Ich bitte euch, ihr habt sein Zimmer durchsucht. Habt ihr irgendwelche Evangelien, Psalter, theologischen Abhandlungen gefunden?«
Der Notar überprüfte seine Liste. »Bischof Athanasios’ Über die Menschwerdung des Wortes. Alles andere…« Mit einem raschen Blick überflog er den Zettel. »Alles andere sind medizinische Texte. 62 an der Zahl.«
»Nicht einmal eine Epistel?« fragte Athanaric.
Der Notar schüttelte den Kopf und lächelte ein verkniffenes kleines Lächeln. »Vortrefflicher«, wandte er sich an den Präfekten, »ich bin geneigt, die Einschätzung des höchstgeschätzten Agenten bezüglich des Gefangenen zu teilen. Ich war bei seiner Befragung im Anschluß an seinen Besuch bei dem entwichenen Gefangenen dabei, und alles, worüber er sprach, war die Verdauung von Bischof Petrus. Und was seine persönliche Korrespondenz anbetrifft, so enthielt die Habe des Gefangenen nur dies hier! Und das ist alles andere als belastend.«
Der Notar hielt ein Stück Papyrus in die Höhe. Athanaric nahm es ihm ab. »Was ist das? Ein Brief?« Ich sah, daß es Thorions Brief war, sein letzter: Es war die Antwort auf meinen, in dem ich ihm über Athanasios’ Tod berichtet hatte, jedoch vor Lucius’ Ankunft in der Stadt. »›Theodoros, Sohn des Theodoros an Chariton aus Ephesus‹«, las Athanaric vor.
»›Viele Grüße‹ usw. usw…. Hier!«
Ich höre, daß Bischof Athanasios ein Patient von dir war und daß du ihn nicht im Stich lassen konntest. Bei Artemis! Jetzt ist er tot, und du tätest gut daran, dir ein paar weniger umstrittene Patienten zu suchen oder, noch besser, welche, die gar nicht umstritten sind. In Alexandria gibt es jetzt bestimmt einigen Ärger. Charition, ich möchte nicht, daß du darin verwickelt wirst. Es gibt doch wirklich kaum jemanden, der sich weniger für diese ganzen verdammten theologischen Streitfragen interessiert, warum schmeißt du nicht alles hin und kommst zu mir nach Konstantinopel? Maia würde außer sich vor Freude sein, dich wiederzusehen.
Athanaric ließ den Brief sinken und sah mich abschätzend an.
»Ein verständiger Mann, dein Freund. Warum hast du nicht auf ihn gehört?«
»Petrus war ebenfalls mein Patient«, sagte ich. »Und noch viele andere. Und die Hospitäler waren geschlossen. Es gab sonst niemanden, der sie behandelte.«
Athanaric händigte den Brief wieder dem Notar aus. »Dieser Mann hier«, sagte er und deutete auf mich, »ist ein sehr guter Arzt und nichts weiter. Als ich ihm lange vor Bischof Athanasios’ Tod Bestechungsgelder für Informationen anbot, wußte er nicht, wofür er sie ausgeben sollte. Ich habe die Angelegenheit überprüft und nichts herausfinden können, als daß er die Heilkunst praktiziert, Bücher über medizinische Fragen liest, zu Vorlesungen über Medizin geht und mit seinem alten Lehrer, der nicht einmal Christ ist, über medizinische Probleme redet. Nach allem, was ich weiß, verbringt er den Rest seiner Zeit damit, über Medizin nachzudenken und von Medizin zu träumen. Er gehört nicht zu deinen Fanatikern, Heiligkeit. Wenn einige von Erzbischof Petrus’ Freunden es für ihre Zwecke ausgenutzt haben, als er ihnen von der Bitte des alten Mannes berichtete, war dies nicht sein Fehler. Ich glaube nicht, daß er irgend etwas von dieser Sache wußte.«
»Er hat sich mitten in diesem Vipernnest der Ketzerei aufgehalten«, entgegnete Lucius eigensinnig. »Er kannte all die Männer, die wir schnappen wollen. Selbst wenn er nicht in das Komplott zur Befreiung des falschen Bischofs verwickelt war – ich glaube jedoch nach wie vor, daß er es war! –, muß er wissen, wo sich Theophilos und diese anderen Schlangen verstecken. Ich möchte mein Leben darauf verwetten, daß er die Hälfte der Flüchtlinge behandelt hat, die der gerechten Strafe entgehen wollten und diese Stadt verlassen haben, und ich wäre nicht überrascht, wenn er diesen falschen Bischof Petrus auch nach seiner Flucht noch gesehen und behandelt hat. Auf die Folter mit ihm!«
Palladios zögerte, dann nickte er widerwillig mit dem Kopf. Er wandte sich an mich. »Willst du sprechen, Eunuch, oder muß ich dem Vorschlag des allerfrömmsten Erzbischofs folgen?«
Wieder unterbrach ihn Athanaric. »Was auch immer er von
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