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Der Leuchtturm von Alexandria

Der Leuchtturm von Alexandria

Titel: Der Leuchtturm von Alexandria Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gillian Bradshaw
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Dichterzitaten, so daß er mich weiterhin für sehr gebildet halten konnte. Der einzige Unterschied zu den Abendgesellschaften meines Vaters bestand in der Sängerin, die während des Essens die Lyra spielte. Die Sängerin war ein außerordentlich hübsches Mädchen, ebenso goldblond wie Sebastianus. Sie trug eine hauchdünne Seidentunika, und Sebastianus war ganz hingerissen von ihrem Anblick.
    Im übrigen war mein Gastgeber ein sehr angenehmer Gesellschafter, gesprächig und witzig. Ich fand bald heraus, warum er sich die Freiheit herausnahm, über seinen Vorgesetzten herzuziehen: Sein Vater war der Oberbefehlshaber der illyrischen und italischen Legionen und einer der höchsten Heerführer des Westreichs. »Allerdings bin ich hier an der Front nicht der einzige, der mit seinem Vater angeben kann«, erzählte er mir.
    »Da ist zum Beispiel mein Freund Theodosius in der Provinz Mösien sein Vater hat gerade den Aufrührer Firmus in Afrika besiegt und die Ruhe in Britannien wiederhergestellt, nachdem Lupicinus dort ein ziemliches Schlamassel angerichtet hat. Theodosius schlägt ebenfalls nach seinem Vater: Er bereitet den Sarmaten ununterbrochen Ärger. Daphne, meine liebe«, wandte er sich an die Lyraspielerin, »bitte spiel ein anderes Lied! Dies ist ja fast so weitschweifig wie Lupicinus’ Berichterstattung!« Daphne kicherte und spielte ein anderes Lied.
    »Doch in dieser Gegend sind die meisten Heerführer verdammte Idioten«, fuhr Sebastianus traurig fort. »Es sind vorwiegend Goten, dazu ein paar Pannonier und Illyrier – Berufssoldaten, fähige Männer, aber ein bißchen beschränkt. Anfangs hatte ich die Hoffnung, daß unser Freund Athanaric hier stationiert würde, aber sein Vater wollte, daß er in den Zivildienst geht – er möchte ihn irgendwann als Konsul in Rom sehen. Ein Jammer, denn er ist ein guter Gesellschafter und die Goten würden natürlich alles tun, was er sagt. Er ist der Neffe des Königs der Terwingen.«
    »Wessen Neffe?« fragte ich etwas töricht.
    Sebastianus lachte. »Verzeih mir. Ich bin allmählich so mit dieser Region vertraut, daß ich gar nicht mehr an die andern Leute denke, die noch nie etwas von dem Terwingenkönig Athanaric gehört haben. Einige nennen sie auch Westgoten. Es ist der gotische Stamm, der uns gegenüber auf der anderen Seite des Flusses siedelt, ein sehr mächtiger Stamm – allerdings nicht mehr so mächtig wie früher einmal. Vor vielen Jahren haben die Terwingen erheblichen Ärger verursacht, als sie den Thronprätendenten Procopius unterstützten. Seine Erhabene Majestät fiel in ihr Reich ein, um ihnen eine Lehre zu erteilen. Er steckte einige Städte und Felder an und jagte König Athanaric und sein Volk in die Berge. Doch er konnte den König nicht gefangennehmen, und der Feldzug war sehr teuer. Deshalb entschloß sich unser Erhabener Gebieter dazu, Athanaric einen neuen Friedensvertrag anzubieten. Aber der König weigerte sich, zur Unterzeichnung des Vertrages nach Skythien zu kommen. Er sagte, er habe Bedenken, römischen Boden zu betreten. Der erlauchte Valens, der Herr der Welt, mußte den Vertrag auf einem Schiff in der Mitte der Donau schließen, um auf die Bedenken eines Barbarenkönigs Rücksicht zu nehmen. Angeblich ärgert er sich noch heute darüber. Nun, der Grund für die Bedenken König Athanarics lag darin, daß sein Bruder, der Vater unseres Freundes Athanaric, Jahre zuvor den Fluß mit einem Trupp Verbündeter überquert und viele Jahre lang in der römischen Armee gekämpft hatte. Später heiratete er ein römisches Mädchen und ließ sich in Sardica nieder, um seinem Sohn eine Karriere im Zivildienst zu ermöglichen. Er hofft, daß er ihn an die Erbin eines ordentlichen römischen Vermögens verheiraten kann. König Athanaric billigt all dies nicht.«
    »Es muß ein merkwürdiges Gefühl sein, als gotischer Feldherr gegen die Goten zu kämpfen«, meinte ich nachdenklich.
    »Sie scheinen aber nichts dabei zu finden«, erwiderte Sebastianus unbekümmert. »Sie kämpfen die ganze Zeit gegeneinander, mit oder ohne römische Hilfe. Die Terwingen bereiten sich im Augenblick auf einen Krieg mit den Alanen im Nordosten vor. Und die Greuthungen, östlich von uns, befinden sich ebenfalls im Krieg. Man behauptet sogar, daß die weiter westlich siedelnden Quaden dabei sind, in Pannonien einzufallen; und unser Herr, Valentinian, der Augustus des Westreichs, muß in Gallien einen Feldzug gegen die Alemannen führen. An der gesamten Grenze gibt es

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