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Der Leuchtturm von Alexandria

Der Leuchtturm von Alexandria

Titel: Der Leuchtturm von Alexandria Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gillian Bradshaw
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Gesicht lächelte zurück, die Züge wurden professionell und selbstsicher: das Gesicht eines in Alexandria ausgebildeten Arztes. Ich würde es schaffen. Mit gestiegenem Selbstvertrauen machte ich mich auf den Weg zu Heerführer Sebastianus.
    Es bereitete mir keine Mühe, das Präsidium zu finden: Es war das größte Gebäude der Stadt und lag am Marktplatz. Die Residenz des Statthalters und die Kirche erschienen im Vergleich mit ihm klein. Über den Türen waren zwei gekreuzte vergoldete Standarten angebracht: das Drachen und das Kreuzbanner. Die Wachsoldaten wirkten fremd und barbarisch auf mich. Viele waren blond und bärtig, und zusätzlich zu ihrer vorschriftsmäßigen römischen Uniform hatten sie sich auf die unterschiedlichste Weise herausgeputzt. Ein Mann hatte ein Wolfsfell an seinem Helm befestigt, die Zähne hingen ihm wild über die Augen, die Pfoten waren unter seinem Kinn zusammengebunden; ein anderer hatte eine Halskette aus Eberzähnen angelegt. Ich wandte mich an einen etwas ziviler Aussehenden und ließ mich zum Palastsekretär führen. Dieser hieß mich eine Weile warten, dann klopfte er an eine Tür und öffnete sie.
    »Chariton aus Ephesus, ein Arzt«, kündigte er mich an.
    In dem Raum saßen zwei Männer an einem mit Schriftstücken übersäten Tisch. Aus einem Fenster hoch oben in der Wand fiel etwas Licht genau auf die Mitte des Tisches und ließ den übrigen Raum dämmrig erscheinen. Die vergoldeten Embleme der Region waren in die Wand gemeißelt; vor einer Ruhebank in einer Ecke lag ein Bärenfell und schien gleich knurren zu wollen. Einer der beiden Männer war jung, hatte goldblonde Haare und sah überaus gut aus. Er trug einen vergoldeten Brustharnisch und einen roten Umhang; ein mit einem roten Schopf versehener goldener Helmbusch ragte mitten in den Sonnenstrahl hinein und glänzte. Der andere Mann hatte die Lebensmitte bereits überschritten, er war untersetzt, hatte dunkle, allmählich grau werdende Haare und stark hervortretende Backenknochen. Auch er trug einen roten Umhang, aber seine Rüstung bestand ausschließlich aus Leder und Eisen. Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück und warf mir einen finsteren Blick zu; der jüngere Mann sortierte Papiere. Doch als ich angekündigt wurde, ließ er sie sinken, sprang auf und trat auf mich zu.
    »Sei gegrüßt«, sagte er, schüttelte mir die Hand und lächelte, wobei er eine Reihe blendend weißer Zähne zeigte. »Ich bin Sebastianus, der Heerführer von Skythien; erst vor zwei Tagen habe ich einen Brief von meinem alten Freund Athanaric erhalten, in dem er dich ankündigt. Du bist schnell gereist!« Er sprach ähnlich abgehackt und verschluckte die Silben genau wie Athanaric. Ich hatte geglaubt, dessen Griechisch sei gotisch gefärbt, jetzt aber wurde mir klar, daß es ganz einfach ein illyrischer Akzent war.
    »Wer ist das?« fragte der ältere Mann – es mußte Lupicinus, der oberste Feldherr der thrazischen Truppen sein. Seine Stimme war leise und knurrend, und der Akzent kam mir merkwürdig vertraut vor. Einen Augenblick lang konnte ich ihn nicht unterbringen, doch dann erinnerte ich mich: Festinus! War Lupicinus etwa ebenfalls ein Gallier?
    »Ein Arzt aus Alexandria«, erklärte ihm Sebastianus, trat an den Tisch zurück und wühlte in den Papieren. »Palladios, der Präfekt Ägyptens, und der Agent Athanaric haben miteinander vereinbart, daß er in den hiesigen Hospitälern arbeiten soll. Ich brauche einen geschickten Arzt, der in Novidunum Ordnung schafft.«
    Lupicinus beäugte mich mißtrauisch. »Ein Eunuch aus Ephesus?« meinte er schließlich. »Wenn er als Arzt wirklich etwas taugt, was hat er dann hier zu suchen? Was sagst du dazu, Eunuch?«
    »Ich war Privatarzt seiner Heiligkeit, des Bischofs Athanasios«, erläuterte ich. Athanasios war berühmt oder vielmehr berüchtigt. Es dauerte einen Augenblick, doch dann verstanden beide Männer. Ich entnahm dem Gesichtsausdruck Sebastianus’, daß Athanaric diese Einzelheit in seinem Brief nicht erwähnt hatte. Ich fragte mich, was er geschrieben haben mochte.
    Lupicinus lachte. »Dann hast du also diesem alten Unruhestifter Klistiere verpaßt! Bist du einer dieser verdammten nizäischen Fanatiker?«
    »Nein, Vortrefflicher«, sagte ich und war froh, mich bei Philon in der Tugend der Geduld geübt zu haben. »Ich bin zwar Christ und auch Nizäer, aber nicht gerade fanatisch.«
    »Ich fürchte, nach deinem Dienst bei einem bedeutenden Bischof wirst du die Arbeit in einem

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