Der Leuchtturm von Alexandria
Ärger.« Seine Unbekümmertheit schwand, er saß einen Augenblick lang schweigend da und blickte finster vor sich hin. Im Hintergrund war nach wie vor Daphnes Stimme zu hören, sie sang ein witziges, kleines Lied über eine Schäferin. Aber Sebastianus’ Anblick erinnerte mich plötzlich daran, wie die Alexandriner darauf warteten, daß ihr Erzbischof starb und die Truppen auftauchten.
Gleich darauf riß er sich zusammen. »Immerhin, Barbaren bleiben Barbaren, und Römer bleiben Römer, und die letzteren gewinnen ihre Kriege immer gegen die ersteren. Obwohl es nichts schaden kann, vorbereitet zu sein. Ich hoffe, du kannst bezüglich dieses Hospitals in Novidunum etwas tun.«
»Ich bin nicht Äskulap«, sagte ich, »aber ich werde es versuchen.«
2
Novidunum ist eine der größeren Festungen an der unteren Donau. Es liegt am Anfang des Donaudeltas, etwa fünfzig Meilen von Histria und sechzig von Tomis, den beiden Hafenstädten am Schwarzen Meer, entfernt. Das ursprüngliche Feldlager ist auf einem Steilufer, das sich über das Flachland erhebt und von dem aus man viele Meilen im Umkreis überblicken kann, erbaut worden. Die Festungswälle, die ihre bedrohlichen Schatten auf die braunen Fluten des Flusses werfen, machen es den Barbaren unmöglich, römisches Land zu betreten. Aber im Grunde genommen ist Novidunum ebensosehr ein Handelsplatz wie eine Festung. Dabei besteht seine Hauptfunktion darin, Zollabgaben auf alle möglichen Handelswaren zu erheben. Eine Menge Schiffe überqueren den Fluß, transportieren Gold, Gewürze, Seide und Handarbeiten in das gotische Dazien und bringen auf der Rückfahrt Sklaven und ein wenig billigen Schmuck mit. Außerdem verfügt die Festung noch über ein Hospital, das für die gesamten Truppen in Skythien zuständig ist.
Ich kam zusammen mit einer gemischten Ladung aus Papieren und Wein in einem zweirädrigen Wagen aus Marcianopolis in Novidunum an. Es war meine erste Erfahrung mit der kaiserlichen Post, und sie war nicht gerade sehr beeindruckend, wenn ich daran denke, wie wir über die Straßen holperten, während ich hoch oben auf meiner Reisetruhe saß. Alle zwölf Meilen wurden die Pferde gewechselt, doch die Passagiere hatten keine Möglichkeit, abzusteigen, sich die Beine zu vertreten und sich etwas zum Essen zu besorgen. Als wir in der Festung ankamen, war ich ziemlich müde und hungrig. Ich kletterte von meinem Sitz herunter und war froh, wieder festen Boden unter den Füßen zu spüren. Ich blickte um mich. Wenn Marcianopolis barbarisch gewesen war, dann war Novidunum das Ende der Welt. Innerhalb der steinernen Festungswälle erstreckte sich eine gotische Siedlung: strohgedeckte Häuser aus Steinen, Putz und Holz; Kühe, die einen aus den danebenliegenden Ställen anglotzten. Selbst die Kasernen sahen trotz ihrer sauberen und für die Legionäre typischen Innenhöfe unrömisch aus. Auch sie waren mit Stroh gedeckt, und ihre Türen waren zwar mit den unvermeidlichen Legionärsemblemen geschmückt, doch genauso auch mit den von den Goten erbeuteten Waffen und den Fellen und Köpfen wilder Tiere. Im Zentrum des Feldlagers befand sich ein größeres Gebäude ganz aus Stein und mit einem Ziegeldach. Ich folgerte, dies sei wahrscheinlich das Hauptquartier des Lagers, das Präsidium. Doch wo war das Hospital?
»Novidunum«, sagte der Wagenlenker für den Fall, daß ich es noch nicht bemerkt haben sollte. »Jenseits davon gibt es nur noch die Barbaren.«
»Ich sollte mich wohl am besten bei dem Tribun des Lagers melden«, dachte ich laut. »Wo kann ich meine Truhe lassen?« Der Fahrer spuckte aus. Er hatte keine hohe Meinung von fremdländischen Eunuchen, die ihm nur Platz auf dem Postwagen fortnahmen. Während der Reise hatte er kaum gesprochen. »Wo wirst du wohnen?«
»Im Hospital.«
»Dann setze ich sie dort für dich ab. Mach dir keine Sorgen, im Hospital wird dir ganz bestimmt kein Mensch etwas daraus stehlen. Dort geht sowieso niemand freiwillig hin.«
Mit diesen Worten ergriff er die Zügel, fuhr davon und ließ mich immer noch ein wenig schwankend stehen. Ein paar dienstfreie Soldaten waren an die Poststation gekommen, um beim Eintreffen des Wagens zuzusehen: Sie starrten mich neugierig an. Etwas unsicher lächelte ich ihnen zu und fragte sie, wo ich den Tribun des Lagers finden könne. Sie starrten nur um so eindringlicher. Endlich erbot sich einer von ihnen, mir den Weg zum Präsidium zu zeigen.
Der Lagertribun hieß Valerius; er war ein älterer Mann, ein
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