Der Leuchtturm von Alexandria
sind terwingische Goten und nach wie vor lediglich Verbündete, sie gehören also nicht zur regulären Armee. Es würde mir gar nicht gefallen, sie gegen ihr eigenes Volk führen zu müssen.«
»Sie würden dir keine Gefolgschaft leisten, nicht in einer derartigen Situation«, sagte Athanaric immer noch in gelassenem Tonfall. »Ich werde in meinem Bericht die Empfehlung aussprechen, sie in eine andere Diözese in Marsch zu setzen. Trotzdem wünschte ich, Festinus hätte eingewilligt, das Getreide anzunehmen. Man kann von den Terwingen kaum erwarten, daß sie mit leeren Mägen nach Marcianopolis marschieren.«
Sebastianus lachte rauh. »Da siehst du, was verschmähte Liebe alles zustande bringt!«
»Vielleicht eher verletzter Stolz. Chariton, wie hat sich denn diese Sache mit der Hochzeit, die keine war, wirklich zugetragen?«
Ich starrte auf meine Hände, froh darüber, daß Festinus’ Sklaven bei den Ruhebänken am unteren Ende des Tisches so knauserig mit dem Wein gewesen waren: Ich brauchte einen klaren Kopf. »Kurz nachdem Festinus sein Amt als Statthalter in Ephesus angetreten hatte, klagte er den älteren Theodoros des Verrats an – einzig und allein seines Namens wegen. Es war kurz nach jener Verschwörung im Zusammenhang mit diesem Orakel, und er spielte sich überaus pflichteifrig auf, um seine Erhabene Majestät zu beeindrucken. Es sprach nichts dafür, Theodoros mit dergleichen Dingen in Verbindung zu bringen, doch Festinus ließ einige der Sklaven foltern und das Haus durchsuchen. Es gelang ihm, den Hausherrn zu erniedrigen, so daß dieser auf dem Bauche vor ihm kroch und um Gnade flehte. Als der ältere Theodoros einwilligte, seine Tochter mit dem Statthalter zu verheiraten, so geschah dies nur, weil er Angst vor ihm hatte. Mein Freund, der jüngere Theodoros, war wütend darüber. Ich glaube, unter diesen Umständen wäre dies jeder gewesen. Er versuchte, seinem Vater die Hochzeitsvorbereitungen auszureden, aber er war ja damals noch abhängig von seinem Vater und konnte rechtlich gesehen nichts tun. Nun, das Mädchen verschwand. Mehr kann ich euch auch nicht erzählen.«
»Ich kann Theodoros deswegen wirklich nicht tadeln«, meinte Sebastianus nachdenklich. »Auch wenn es für einen vornehmen Mann eine Schande bedeutet, inmitten seiner Hochzeitsgirlanden ohne Braut alleingelassen zu werden. Jedenfalls kann ich mir nicht vorstellen, daß das Mädchen sehr erpicht darauf war, ihn zu heiraten, selbst wenn kein Wagenlenker im Hintergrund auf sie wartete. Obwohl es verdammt schwer ist, zu sagen, was so ein Mädchen aus guter Familie eigentlich denkt. Ich weiß nur, daß sie niemals so furchtbar scharf darauf zu sein scheinen, überhaupt jemanden zu heiraten.«
Athanaric lächelte. »Hat dein Vater dich denn inzwischen bei einigen Bewerberinnen eingeführt?«
»Bei ein oder zwei. Ich sehe ja niemals mehr von ihnen als ihre Haare; sie blicken ununterbrochen auf den Fußboden. Eingedenk meiner Verantwortung, ein Mädchen zu heiraten und kleine Römer zu zeugen, versuche ich, mit der in Frage stehenden jungen Dame ins Gespräch zu kommen. Interessiert sie sich für Literatur? Wenn es sich um griechische handelt, weiß sie, daß Homer ein großer Dichter ist; wenn es sich um lateinische handelt, bewundert sie Vergil. Wenn man ihr sehr zusetzt, zitiert sie unter Umständen einige Verse. Hat sie vielleicht irgendwelche Vorlieben, pflegt sie zum Beispiel gerne ihren Garten? Sie stimmt mir zu, Gärten seien etwas sehr Hübsches. Ist das Wetter für diese Jahreszeit nicht wirklich außerordentlich schön? frage ich, und meine Verzweiflung wächst zusehends. Ja, antwortet sie und starrt auf den Fußboden. Wenn ich dann nach Hause komme, merke ich, daß man von mir erwartet, mich schrecklich in sie verliebt zu haben. Glücklicherweise sind die finanziellen Regelungen bisher immer schiefgegangen, und Vater muß noch eine Braut finden, die seinen Erwartungen entspricht. Ich weiß gar nicht, was ich anfangen sollte, wenn ich so eine junge Frau aus guter Familie im Bett hätte.«
Athanaric lachte. »Ich habe mir immer schon gedacht, daß ich in der Hochzeitsnacht meiner Frau Vergil vorlesen müßte. Es scheint das einzig genehme Gesprächsthema zu sein. Immerhin, gesegnet seien die Finanzen der zur Debatte stehenden Geschöpfe; Vater kann nur wenig Mädchen finden, deren Mitgift er wirklich billigt. Was willst du mit Daphne tun, wenn dein Vater eine Ehe für dich arrangiert?«
»Mach dir keine Hoffnungen: Ich
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