Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Leuchtturm von Alexandria

Der Leuchtturm von Alexandria

Titel: Der Leuchtturm von Alexandria Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gillian Bradshaw
Vom Netzwerk:
mich verfügen?«
    »Du bist unser Gast«, erwiderte Frithigern auf griechisch und streckte mir die Hand entgegen.
    Nach einem Augenblick des Zögerns ergriff ich sie. »Edler Frithigern«, sagte ich, »ich weiß, daß dein Volk großes Unrecht erlitten hat. Ich habe versucht, dem Einhalt zu gebieten…«
    »Ich habe davon gehört, und ich danke dir.«
    »… aber ich kann dir nicht dienen, wenn ich mich gegen mein eigenes Volk stellen muß. Bitte laß mich gehen. Ich habe dir in der Vergangenheit geholfen, vortrefflicher Frithigern, und du schuldest mir etwas Besseres als die Gefangenschaft.«
    Frithigern schüttelte den Kopf. »Es tut mir leid. Ich verlange von dir ja nicht, gegen dein eigenes Volk zu kämpfen. Ich hoffe aber, daß du dich als Arzt nicht weigern wirst, die Kranken zu behandeln. Und wir haben sehr viele Kranke und Verwundete – sie sind krank, weil die Leute den Römern vertraut haben und auch, weil sie mir vertraut haben; und sie sind verwundet, weil sie für mich gekämpft haben. Ich kann dich nicht gehen lassen.«
    »Dann behandelst du mich also als Sklaven, gleichgültig, was für schöne Worte du über Gastfreundschaft verlierst.«
    »Wenn du es vorziehst, dieses Wort zu gebrauchen, dann sei es dir unbenommen; ich werde dich meinen Gast nennen. Du bist willkommen in meinem Haus. Hast du schon etwas gegessen? Wenn nicht, dann leistest du mir vielleicht Gesellschaft zum Abendessen? Ach, Chariton, als Grieche wirst du wohl zuerst baden wollen. Meine persönlichen Sklaven werden dich bedienen.«
    »Dank dir, nein«, entgegnete ich ihm. Ich fragte mich, wie lange ich wohl bei den Goten bleiben und ihre Verwundeten behandeln müßte. Ich fragte mich, ob mich die Römer für einen Verräter halten würden, wenn sie die Barbaren schließlich besiegten. Wahrscheinlich nicht; Sebastianus wußte, daß ich nicht freiwillig mitgegangen war.
    »Nun, dann willst du dir vielleicht etwas anderes anziehen?« fragte Frithigern und warf mir aus seinen blassen Augen einen schwer zu deutenden Blick zu. »Du bist weit geritten, und es schmerzt mich, einen Gast zu beherbergen, der von der Reise derart erschöpft ist.«
    Ich seufzte. »Wenn ich ein Zimmer für mich haben könnte, würde ich mich gerne für einen Augenblick zurückziehen und mich ein wenig ausruhen.«
    »Meine Sklaven werden sich um dich kümmern.«
    »Wenn du nichts dagegen hast, vortrefflicher Frithigern, würde ich es vorziehen, allein zu sein.«
    Die gläsern wirkenden Augen fixierten mich, der Blick wurde intensiver und war von einem Stirnrunzeln begleitet.
    »Bitte entschuldige mich, weiser Chariton, aber das ist kein guter Vorschlag. Es wäre besser, wenn die Sklaven einen Blick auf dich werfen und ihren Freunden berichten könnten, daß du wirklich ein Mann bist. Es würde die Phantasie der Leute beruhigen. Die Leute erzählen sich, daß du ein Teufel bist – es tut mir leid, viele Menschen hier sind äußerst töricht und abergläubisch und tun den ganzen Tag lang nichts anderes als zu klatschen. Außerdem glauben meine Frau und ihre Gefährtinnen, daß du in Wirklichkeit eine Frau bist. Bei uns Goten gibt es keine Eunuchen. Erlaube den Sklaven, dir aufzuwarten, so wie sie es mit jeder Person von Rang tun, dann werden sich die dummen Gerüchte von selbst erledigen.«
    »Ich mag es nicht, wenn man mich anstarrt«, erwiderte ich auf gut Glück und versuchte, mir eine glaubwürdige Begründung für meine Schamhaftigkeit auszudenken. »Bitte, du hast mich zum Sklaven gemacht; laß mir wenigstens meine Würde.«
    Frithigern starrte mich an und runzelte die Stirn. Hinter mir meldete sich Edico. »Wie kann die Würde eines vornehm geborenen Mannes denn leiden, wenn ihm Sklaven aufwarten?« fragte er. »Du bist wirklich zu empfindlich, vortrefflicher Chariton.«
    »Jetzt, da du mir dienst, möchte ich, daß die Leute eindeutig wissen, wer du bist«, sagte Frithigern. »Meine Gemahlin behauptet, daß du eine Frau bist. Sie sagt, daß du dich verkleidest, weil es die Römer nicht erlauben, daß Frauen Medizin studieren. Wie kannst du mir ordentlich dienen, wenn die Leute derartige Dinge über dich verbreiten? Du mußt dich meiner Entscheidung in dieser Angelegenheit fügen.«
    Edico lachte belustigt auf. »Frauen erzählen eine Menge. Wenn du nicht willst, daß die Leute einen derartigen Unsinn glauben, dann vergiß diese verrückte Bescheidenheit.«
    Zur Hölle mit Amalberga. Sie hatte zu schnell zuviel herausgefunden, und sie hatte mich noch nicht

Weitere Kostenlose Bücher