Der Leuchtturm von Alexandria
Bestimmtheit. »Dort kannst du dich ausruhen.«
Und tränenüberströmt wurde ich aus dem Raum geführt.
14
Amalberga fand genau die richtige Art, mit mir umzugehen. Ich hätte niemals gedacht, daß man mich so leicht lenken könne: Meine Familie und meine Freunde würden darin wohl mit mir übereinstimmen. Doch Amalberga ging so geschickt mit mir um wie ein Kindermädchen mit einem widerspenstigen Kind oder ein geschickter Reitknecht mit einem störrischen Pferd. Und ich merkte es nicht einmal, ehe es geschehen war. Fast blind vor Tränen wurde ich in den rückwärtigen Teil des Hauses geführt, in dem die Frauen wohnten. Amalberga saß zusammen mit einigen der anderen Edelfrauen an der Feuerstelle und spann. Sie machte einen äußerst erstaunten Eindruck, als die Wachsoldaten ihr erklärten, was passiert war, dann sprang sie auf, schickte die Männer fort und führte mich in ein leeres Schlafzimmer. »Leg dich eine Weile hin«, sagte sie zu mir und ließ mich allein. Und ich weinte – ziemlich hysterisch, nehme ich an – etwa eine Stunde lang, und lag dabei auf dem Bett, biß in meine Ärmel, wand mich in Krämpfen und schluchzte hemmungslos. Ich hätte mir ein Messer in den eigenen Leib stoßen können; ich war wütend auf ihn, weil er ein weiblicher Körper war und weil er mich verraten hatte.
Als das Schluchzen etwas nachgelassen hatte, kam Amalberga wieder herein und stand in der offenen Tür.
»Hochgeschätzte Chariton«, sagte sie auf griechisch, »eine meiner Frauen hat ein krankes Kind; sie ist ganz verzweifelt und fleht darum, daß jemand nach ihm sieht. Ich weiß natürlich, daß du müde bist, vortreffliche Chariton, aber könntest du vielleicht einen Blick auf das Baby werfen?«
In diesem Augenblick haßte ich sie abgrundtief, weil der von ihr geäußerte Verdacht zu meiner Bloßstellung geführt hatte. Aber wie hätte ich mich weigern können, ein Baby zu untersuchen? Ich stand auf, unterdrückte meine letzten Schluchzer und ging, um nach dem kranken Kind zu sehen. Es litt an Ohrenschmerzen und hatte Fieber. Ich gab ihm etwas gegen das Fieber ein wenig Nachtschatten – und machte ihm außerdem heiße Kompressen, um seine Ohrenschmerzen zu lindern. Dann beruhigte ich die Mutter und versicherte ihr, das Kind sei keineswegs so furchtbar krank und es werde sich bestimmt erholen. Amalberga fand noch einen anderen Patienten, der angeblich meine Hilfe dringend brauchte, fragte jedoch, ob ich mich vielleicht zuerst waschen wollte: »Ich weiß, daß ihr griechischen Ärzte großen Wert auf Hygiene legt, wenn ihr eure Patienten behandelt. Ich habe das Badehaus vorbereiten lassen, wenn du dich also dorthin begeben willst.« So badete ich, während mehrere Sklaven und einige von Amalbergas Frauen hereinschauten, um sicherzugehen, daß ich wirklich kein Mann und auch kein Teufel war.
Als ich aus dem Bad stieg, waren meine alten Kleider verschwunden, und an ihrer Stelle hatte jemand eine lange Tunika mit Ärmeln, ein paar Hausschuhe und einen goldverzierten Gürtel bereitgelegt. Die Sklaven hielten mir das Gewand erwartungsvoll entgegen, und ich starrte es an. Doch was hätte es für einen Sinn gehabt zu protestieren? Ein Patient wartete auf mich, und eine Verkleidung würde sowieso nichts mehr bewirken. Ich zog das Ding über und schnallte mir den Gürtel um die Taille. Das Gewand war aus Wolle mit einer Untertunika aus Leinen: gute Qualität. Es war dunkelgrün, ohne einen Saum oder irgendwelche Muster, und die Ärmel gingen bis zum Ellbogen, so daß sie nicht im Wege waren: praktisch für die Arbeit. Aber ich kam mir seltsam vor ohne mein Korsett, und der lange Unterrock fühlte sich unnatürlich an.
Als ich aus dem Badehaus kam, saß Amalberga wieder an ihrem Spinnrad und sprach mit den anderen Frauen. Zu ihren Füßen spielten einige Kinder. Sie lächelte, machte jedoch keine Bemerkung über mein Aussehen. Ich hätte es auch nicht ertragen, wenn sie es getan hätte. Statt dessen entschuldigte sie sich dafür, keinen Umhang besorgt zu haben: »Ich dachte, du könntest deinen alten benutzen, er muß jedoch erst gereinigt werden. Aber Frigda liegt nebenan, du brauchst nicht nach draußen zu gehen, um sie zu behandeln. Darf ich dir ein paar Ohrringe geben?«
»Nein danke«, erwiderte ich.
Amalberga lächelte entschuldigend. »Es wäre besser, wenn du etwas Schmuck trügest. Die Leute würden dir mehr Respekt entgegenbringen. Wenn jemand keinen Schmuck trägt, glauben sie, er müsse von niedrigem Rang
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