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Der Leuchtturm von Alexandria

Der Leuchtturm von Alexandria

Titel: Der Leuchtturm von Alexandria Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gillian Bradshaw
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ist klein und liegt im dritten Stock. Außerdem ist es ziemlich einfach, aber wenn du möchtest…«
    »Würde es dir denn nichts ausmachen? Das heißt, würde es deiner Frau nichts ausmachen, einen Fremden bei sich aufzunehmen, einen Christen und noch dazu einen Eunuchen?«
    »O nein, nein! Sie ist eine gute Frau – wie die Psalmisten sagen: ›Mehr wert als Edelsteine.‹ Ich habe ihr von dir erzählt; sie möchte dich sowieso kennenlernen.«
    So nahm mich Philon an jenem Nachmittag mit zu sich nach Hause und stellte mich seiner Familie vor: seine Frau, die den fremdartig klingenden jüdischen Namen Deborah hatte; seiner vierzehn Jahre alten Tochter, die den eher geläufigen griechischen Namen Theophila hatte; und seinen beiden Sklaven, Harpokration und Apollonia. Die Sklaven waren Heiden. Ich stellte fest, daß die Juden dies ziemlich häufig so handhaben, da die mosaischen Gesetze von ihnen verlangen, jeden jüdischen Sklaven nach sieben Jahren freizulassen. Philon hatte auch noch einen Sohn, aber dieser junge Mann weilte in Tiberias, um dort das jüdische Gesetz zu studieren. Philon verkündete allen, daß ich bei ihnen wohnen würde. Sie machten einen einigermaßen überraschten Eindruck, erhoben aber keinen Einwand, und Harpokration, ein kräftiger Mann mittleren Alters, der die Göttin Isis anbetete, wurde beauftragt, mir beim Holen meiner Sachen zu helfen.
    Philons Haus lag in der Nähe der neuen Stadtmauer, südlich der Via Canopica. Es war ein schmales Haus, nicht breiter als zwei Zimmer, hatte allerdings drei Geschosse. Mein Zimmer lag im dritten Stockwerk, unter dem Dach, und das Fenster ging auf das nebenan liegende Haus. Von ferne kam der Geruch vom Hafen herüber.
    Der Mareotis-See hat einen Zufluß, der vom Sonnentor und vom Canopica-Kanal kommt und den See mit dem Nil verbindet. An heißen, windstillen Tagen war der Gestank nach Kot und Hafenabwässern überwältigend. Hippokrates sagt, stehende Gewässer seien sehr schlecht für die Gesundheit, und diejenigen, die es trinken, bekämen die Wassersucht und litten an Magenkrankheiten. Die Menschen dieses Viertels tranken das Wasser aus dem Kanal zwar kaum einmal, und das Wasser des Sees ist sowieso brackig und ungenießbar, aber sie schienen trotzdem öfter mit Fieber und Infektionen geschlagen zu sein als Leute, die in den anderen Stadtteilen wohnten. Alles in allem unterschied sich das Haus wirklich sehr von Vaters Haus in Ephesus.
    Doch davon einmal abgesehen, lag es in einer sonst recht hübschen Ecke Alexandrias. Der alte, dem Gott Pan geweihte Park befand sich nur ein paar Häuserblocks entfernt, und dort, wo unsere Straße die Via Canopica kreuzte, lag ein öffentlicher Brunnen. Ich mochte das Haus und die Familie sehr gern. Ich zahlte Philon vier Solidi Miete jährlich. Dies schloß das Wasser ein, das Apollonia mir aus dem öffentlichen Brunnen holte, sowie ein Kohlenbecken, um das Zimmer im Winter zu heizen. Ja sogar meine Wäsche wurde dafür zusammen mit den übrigen Sachen aus dem Haushalt gewaschen. Weitere zwei Solidi zahlte ich für Lebensmittel, da ich die meisten Mahlzeiten mit der Familie zusammen einnahm.
    Inzwischen hatte ich genug Geld, da Philon auch noch jemanden gefunden hatte, der mir meinen Schmuck abkaufte – einen alten jüdischen Händler, der im Deltaviertel, das heißt, in dem, was von ihm noch übriggeblieben war, wohnte. Auch er fragte mich zuerst, warum ich die Steine verkaufen wolle, da sie doch meiner Mutter gehört hatten. »Ich kann weder Frau noch Tochter haben, die sie tragen könnten«, antwortete ich. »Ich glaube, meine Mutter würde es mir nicht verübeln, wenn ich mit ihrer Hilfe meine Ausbildung bezahle.« Der alte Mann nickte, murmelte etwas und bot mir einen derart guten Preis an, daß ich beinahe beschämt war, ihn anzunehmen. Dabei verkaufte ich vorerst nur ein paar Ohrringe. Sie hatten Perlen und waren mit Saphiren besetzt, und der alte Mann bezahlte mir 68 Solidi für sie – genug, um jahrelang davon leben zu können, zumindest auf die Weise, wie ich in Alexandria lebte.
    Ich hatte den Eindruck, mein ganzes Leben lang, jedenfalls bis zu meiner Ankunft in Alexandria, noch nichts getan zu haben. Es war fast so, als habe ich vorher gar nicht existiert. Nur ganz zu Anfang vermißte ich die Bequemlichkeiten von zu Hause, dann vergaß ich sie bei all meinem Glück bald völlig. Ich hatte es nicht für möglich gehalten, so glücklich zu sein. Jeden Morgen, wenn ich aufwachte, dachte ich: Ich bin in

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