Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Leuchtturm von Alexandria

Der Leuchtturm von Alexandria

Titel: Der Leuchtturm von Alexandria Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gillian Bradshaw
Vom Netzwerk:
nicht die Absicht, mich der Prüfung zu unterziehen, ehe ich nicht ein bißchen mehr über die Heilkunst weiß.«
    »Ich möchte dich nicht enttäuschen«, sagte Philon lächelnd , »aber außer praktischer Erfahrung bleibt nicht mehr viel übrig, was man dir beibringen könnte.« Er ging weiter. »Denk einmal nach über mein Angebot.«
    Als wir zu Hause ankamen, fanden wir Deborah und die Sklaven in heller Aufregung vor. Theophila lugte von der Treppe aus nach unten: Dort saß ein Fremder und klopfte mit seinen Fingern ungeduldig auf die Tischplatte; diese Geste lenkte die Aufmerksamkeit als erstes auf seine amtlich aussehenden Siegelringe. Er machte einen etwas jüngeren Eindruck als Philon, war glattrasiert und dunkelhaarig. Er war elegant gekleidet, trug eine gelbe Tunika mit einem schönen orangefarbenen Umhang darüber. Als wir hereinkamen, sprang er auf.
    »Chariton aus Ephesus?« fragte er und sah mich an. Er sprach einen gebildeten alexandrinischen Akzent, in seinem sorgfältig modulierten Tonfall schlug jedoch ganz leicht der singende Rhythmus der Ägypter durch.
    »Ja«, erwiderte ich, und meine Stimme klang zweifellos nervös. Ich konnte mir keinen Reim auf diesen plötzlichen Überfall eines Beamten machen, es sei denn, Festinus war mir auf die Spur gekommen. »Worum geht es?«
    »Ich bin Theophilos, ein Dekan der alexandrinischen Kirche. Unser Vater, der fromme Athanasios, wünscht dich auf der Stelle zu sehen«, antwortete der Fremde. »Komm bitte mit mir. Und beeil dich.«
    »Was möchte der Erzbischof von ihm?« wollte Philon wissen und sah ängstlich, aber auch verärgert aus. »Welches Recht hat der Erzbischof, ihn zu sich zu befehlen? Er hat den ganzen Tag lang hart gearbeitet, und er ist…«
    Der andere schlug mit der Hand auf den Tisch. »Sei still! Seine Heiligkeit ist krank; wir nehmen jeden Arzt, den er bereit ist, zu sich zu lassen, und diesen Eunuchen will er zu sich lassen, ihn und niemand anderen. Komm jetzt. Und was dich anbetrifft, Jude, diese Neuigkeiten sind nicht dafür da, in der Stadt verbreitet zu werden. Wir wollen keinen Ärger, und wenn es bekannt wird, daß der Erzbischof krank ist, gibt es Blutvergießen.«
    Während alle vor Erstaunen den Mund aufrissen, ergriff ich meine Arzttasche. Theophilos bedeutete mir ungeduldig, ihm zu folgen, und eilte hinaus. Ich sah mich nach Philon und seiner Familie um, wie sie mit gesenkten Köpfen im Eßzimmer standen, dann winkte ich ihnen zu und eilte dem Kirchenbeamten nach. O gütiger Herrgott, dachte ich, als ich die Straße hinunterlief, werde ich meine Karriere als der Arzt beginnen, der den Erzbischof von Alexandria umbrachte?
    Athanasios hatte eine Lungenentzündung. Er litt bereits seit mehreren Tagen daran, hatte die Neuigkeit jedoch aus Furcht, es könne einen Aufruhr geben, unterdrückt. Inzwischen war er bereits sehr schwach, geistig jedoch noch völlig klar. Aber sein Blick war verschleiert und matt, seine Nase stach scharf hervor, Augen und Schläfen waren eingesunken, die Haut sehr trocken – alles äußerst schlechte Zeichen. Als er mich sah, lächelte er jedoch. In seinen Lungen hatte sich eine Menge Blut angesammelt, und er mußte sich sehr anstrengen, um überhaupt atmen zu können; er konnte nicht sprechen.
    Er lag in dem riesigen, unpersönlichen Schlafzimmer in seinem großen, von einem Baldachin überdachten Bett, seine kraftlose, eingesunkene Gestalt sah aus wie eine zwischen all dem Glanz zufällig zurückgelassene Puppe. Er war von einem Haufen Menschen umgeben – Mönche, Priester, Dekane, einige Nonnen, sämtliche Sklaven des bischöflichen Palastes, ein oder zwei Bischöfe aus anderen Gegenden Ägyptens. Einige saßen in irgendeiner Ecke des Schlafzimmers, beteten und wehklagten, andere beugten sich über den Erzbischof und stritten darüber, wie man ihm helfen könne, falls sie ihm nicht gar zusetzten, diese oder jene Kirchenangelegenheit zu regeln. Die meisten von ihnen komplimentierte ich auf der Stelle aus dem Raum. Dann bat ich die übrigen energisch, die Fenster zu schließen und einige Kohlepfannen und Wasser zu holen, um den Raum mit Dampf zu füllen. Ich besorgte mir ein paar Schröpfköpfe und setzte sie auf Athanasios’ Brust, um den Schleim zu lösen. Außerdem gab ich ihm Sauerhonig und etwas weißen Andorn mit Iriswurzeln, die gut für die Lunge sind. Er fing zu husten an und produzierte einen Haufen wäßrigen Schleims. Dann wurde ihm übel, und er erbrach etwas von dem Sauerhonig sowie ein

Weitere Kostenlose Bücher