Der Leuchtturm von Alexandria
Auch er strahlte, dann küßte er sie. Natürlich dauerte es einige Zeit, die Einzelheiten der Verlobung vorzubereiten. Theogenes schrieb seinem Vater, und sein Vater schrieb ihm und Philon zurück. Philon setzte einen Vertrag auf, und Deborah (von Freude überwältigt, ihre Tochter so gut versorgt zu wissen) rackerte sich ab, die Brautausstattung zu weben und zu nähen. Doch schließlich wurde ein Termin festgesetzt: der Neumond vor dem Fastentag der Esther, eine günstige Zeit – frühes Frühjahr.
»Es ist noch so lange hin«, seufzte Theogenes. »Aber wenigstens weiß ich, daß ich auf etwas warten kann.« Und er machte sich wieder an das Studium der Heilkunst. »Schließlich«, meinte er, »werde ich bald eine Frau ernähren müssen!«
8
In jenem Frühjahr gab es immer noch keinen Aufruhr, noch nicht einmal zu Ostern, als der ägyptische Heerführer zur Kathedrale marschierte und die Hälfte seiner Truppen vor ihr Aufstellung nehmen ließ, um die Ordnung aufrechtzuerhalten. Auch ich gehörte zu den Besuchern jenes Gottesdienstes. Ich hatte damit angefangen, möglichst oft in die Kathedrale zu gehen, um zu hören, was Athanasios zu sagen hatte. Zum erstenmal verstand ich, warum die Mönche solche Angst hatten. Jene Truppen waren bewaffnet und gepanzert aufgezogen, um gegen die Ansammlung von Gläubigen vorzugehen, falls es irgendwelchen Ärger geben sollte. Auch früher schon waren anläßlich von Unruhen Menschen von ihnen getötet worden. Seit Athanasios den bischöflichen Thron bestiegen hatte, hatte es mehrmals Episoden von Gewalt gegeben. Als junger Mann war Athanasios gewiß ein Hitzkopf gewesen. Inzwischen war er zwar weit davon entfernt, doch die Behörden sahen immer noch einen Feind in ihm. An jenem Ostertag predigte er über den Frieden, und er sprach so eindringlich und leidenschaftlich auf die versammelten Gläubigen ein, daß diese drauf und dran waren, die wartenden Soldaten – die nicht wußten, was sie davon halten sollten – zu umarmen, als sie aus der Kathedrale kamen. Er predigte eine Menge über den Frieden, aber auch über den Kampf, über die Notwendigkeit, Mut und Entschlossenheit zu zeigen; man spürte deutlich, daß er ebenfalls Unruhen erwartete.
Ich kaufte auch die theologische Abhandlung des Erzbischofs Über die Menschwerdung des Wortes und las darin, wenn ich nicht allzuviel zu tun hatte. Die meiste Zeit hatte ich zu tun, deshalb kam ich nur langsam voran. »Das Leben ist kurz, und die Kunst des Heilens ist lang« – ich glaube, daß dieser Aphorismus des Hippokrates in Wirklichkeit auf die lange Zeit anspielt, die eine Arznei unter Umständen benötigt, um eine Wirkung zu erzielen, aber er schien mir ebensogut zu der langen Zeit zu passen, die man braucht, um etwas zu lernen. Ein Arzt muß die Symptome all der verschiedenen Krankheiten kennen, und er muß wissen, wann er die einzelnen Heilmittel anwenden kann; er muß etwas über das Wasser und über die verschiedenen Wetterlagen wissen, die diese oder jene Krankheit mit sich bringen können, und wie man trotzdem am besten die öffentliche Gesundheit aufrechterhalten kann; er muß etwas von Anatomie, und Chirurgie verstehen; er muß in der Lage sein, die verschiedenen medizinischen Kräuter zu identifizieren und Heilsäfte aus ihnen zuzubereiten, aber auch die richtige Dosis zu berechnen. Je mehr ich lernte, desto unwissender kam ich mir selbst vor, und schließlich wurde mir klar, daß auch die gelehrtesten Ärzte noch unwissend sind und sich untereinander nicht nur über die verschiedenen Theorien in die Haare kriegen, sondern auch über grundlegende Dinge uneins sind, über die es eigentlich leicht sein sollte, sich ein Urteil zu bilden: zum Beispiel über die Funktion der Leber oder wann es geboten ist, Kranke zur Ader zu lassen oder ihnen Nieswurz zu verabreichen. Und wie oft ist jegliche Kunst nutzlos, und der Arzt könnte seine Bücher und Arzneimittel ebensogut in den Abwasserkanal werfen! »Können wir denn gar nichts tun?« fragte ich Philon eines Nachts im August, nachdem uns eine Patientin gestorben war und wir erschöpft nach Hause kamen.
»Wir sind kaum besser als diese Quacksalber, die die Kranken mit Hilfe irgendwelcher Zauber und Beschwörungen zu heilen versuchen!«
»Nun, wir versuchen wenigstens, niemandem zu schaden, wenn wir ihm schon nicht nützen können«, entgegnete Philon.
»Und wir versuchen, der Natur zu folgen und sie zu unterstützen. Und manchmal haben wir Erfolg. Aber es stimmt, es ist
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