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Der Leuchtturm von Alexandria

Der Leuchtturm von Alexandria

Titel: Der Leuchtturm von Alexandria Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gillian Bradshaw
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eingeschlafen, und meine Zunge fühlte sich pelzig an.
    »Heiligkeit«, sagte ich, »wie fühlst du dich jetzt?«
    Er setzte zu einer Antwort an, dann hustete er. Ich stand auf und stützte sein Kreuz, dann wischte ich sein Gesicht ab und bettete ihn in die Kissen zurück. Er sah erschöpft aus, aber nicht so schmerzgepeinigt und ausgezehrt wie am Tag zuvor. Das Fieber war gesunken.
    »Versuche nicht zu sprechen«, wies ich ihn an. »Nicke ganz einfach. Möchtest du etwas essen? Vielleicht ein wenig klare Brühe?«
    Er nickte, und ich ging zur Tür und entriegelte sie. Sein ganzes Gefolge schien draußen auf dem Flur zu sitzen, sogar die übrigen Bischöfe. »Es geht ihm sehr viel besser«, berichtete ich ihnen. »Kann jemand etwas klare Brühe besorgen?«
    Verschiedene Mönche begannen, einen Lobgesang anzustimmen. Einige mehr praktisch gesinnte Seelen eilten, um die klare Brühe zu holen. Die Priester und Dekane unternahmen eine gemeinsame Anstrengung, hereinzukommen, aber ich ließ es nicht zu. »Sein Zustand ist immer noch heikel«, sagte ich mit großer Entschiedenheit. »Ich darf nicht zulassen, daß er sich aufregt, sonst könnte das Fieber wieder steigen. Ihr könnt ihn nach dem Mittagessen sehen.«
    Die klare Brühe kam und wurde wie eine heilige Reliquie durch die Menge gereicht. Ich nahm sie entgegen, ging in das Zimmer zurück und verriegelte die Tür erneut. Athanasios beobachtete mich immer noch mit seinem gewohnten Ausdruck heimlicher Belustigung. »Na also«, flüsterte er, »da kann man einmal sehen, daß Frauen ausgezeichnete Ärzte abgeben.«
    Ich lachte und setzte mich auf meine Ruhebank. »Du darfst dich nicht anstrengen beim Sprechen«, sagte ich. »Ruh dich einfach ein wenig aus. Hier, ich werde dich mit dieser Brühe füttern.«
    »Wie eine Amme, die ein Kind füttert«, flüsterte er und hustete. Ich wischte sein Gesicht ab und zwang ihn sanft in die Kissen zurück, dann fütterte ich ihn mit der klaren Brühe, Löffel für Löffel. Seine Temperatur blieb unten, und sein Atem ging nach wie vor pfeifend, nicht rasselnd. Ich gab ihm noch ein bißchen weißen Andorn mit Iriswurzel, dann holte ich ihm eine Bettpfanne. Ich untersuchte den Urin: ziemlich klar, mit Ablagerungen. Ein weiteres gutes Zeichen.
    »Deine Gefolgschaft möchte dich nach dem Mittagessen sehen«, sagte ich zu ihm. »Aber versuche nicht, mit ihnen zu reden. Winke einfach mit der Hand oder sonst etwas, so daß sie sehen können, daß du nicht im Sterben liegst. Es ist sehr wichtig, daß du dich ausruhst, bis du wieder zu Kräften gekommen bist.«
    Er nickte. »Diesmal werde ich noch nicht sterben«, flüsterte er.
    »Lies mir etwas aus der Heiligen Schrift vor. Das Evangelium des Matthäus.«
    Ich hielt dies für eine günstige Gelegenheit, ihn ruhig zu halten, und so holte ich mir ein Buch mit den Evangelien – es gab mehrere Bände der Heiligen Schrift im Bücherschrank an der Wand – und begann zu lesen. Während ich das vierte Kapitel über die Versuchung in der Wüste las, richtete Athanasios sich auf und lauschte angespannt, obwohl er das ganze Buch sicherlich auswendig konnte:
    Darauf führte ihn der Teufel mit sich auf einen sehr hohen Berg und zeigte ihm alle Reiche der Welt und ihre Herrlichkeit und sprach zu ihm: Das alles will ich dir geben, wenn du niederfällst und mich anbetest.
    Da sprach Jesus zu ihm: Weiche hinfort von mir, Satan! Denn es steht geschrieben: »Du sollst anbeten den Herrn, deinen Gott, und ihm allein dienen.«
    Der Erzbischof hob die Hand, um mir Einhalt zu gebieten. Ich blickte auf und sah ihn mit einem gepeinigten Ausdruck lächeln.
    »Die letzte Versuchung«, flüsterte er, »alle anderen waren nicht so schlimm.« Er hustete.
    »Du solltest nicht sprechen, Heiligkeit.«
    »Laß mich sprechen, Mädchen. Das wird mir guttun. Meine Gefolgsleute sitzen alle miteinander draußen und erwarten von mir, daß ich einen Nachfolger benenne, nicht wahr?«
    Ich gab zu, daß es so war.
    »Ja, sie haben Angst«, meinte er nachdenklich. »Selbst wenn ich diesmal noch am Leben bleibe, möchten sie, daß die Nachfolge geregelt ist. Aber es ist schlimm, einen Freund zur Verbannung und vielleicht zum Tod zu verurteilen.«
    Ich blickte wieder auf das Buch. »Und das wird jedem passieren, den du benennst?«
    »Ich bin sicher. Selbst wenn die übrige Welt nizäisch würde. Der Kaiser will die Macht der ägyptischen Kirche unbedingt brechen. Ich kann nur versuchen, den Schlag zu mildern.« Er hustete erneut, dann

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