Der Leuchtturm von Alexandria
lehnte er sich in seinem Bett zurück, den Blick seiner brennenden schwarzen Augen an die Decke geheftet. »Solange ich lebe, besteht keine Gefahr«, fuhr er nach einem Augenblick fort. »Ich bin zu alt. Valens wird mich nicht noch einmal in die Verbannung schicken. Außerdem hat er noch nicht vergessen, was das letzte Mal passiert ist. Aber, o heiliger Jesus Christus, wenn ich tot bin, wird alles wieder von vorne anfangen. Der Aufruhr, die Verbannungen, all die ins Gefängnis geworfenen Menschen, die Folterungen. Seit vielen Jahren geht das nun schon so. Ja, und meine eigenen Anhänger sind ebenfalls schuldig.« Er lächelte sein gepeinigtes Lächeln. »Jedenfalls einige. Leidenschaftliche, aufbrausende, überhebliche, gewalttätige Ägypter. Aber stets leiden wir mehr, als daß wir anderen Böses zufügen.« Einen Augenblick lang lag er ruhig da, seine mageren alten Finger zupften an der Bettdecke. »Ich werde zwei Nachfolger benennen«, meinte er kurze Zeit später.
»Dann kann der eine in die Verbannung geschickt werden und der andere die Dinge hier in Alexandria in die Hände nehmen. Um den Schaden zu begrenzen und zu versuchen, das Volk zu beruhigen. Zuvor werde ich die Angelegenheit mit dem Amt des Präfekten regeln müssen. Von dem Präfekten hängt soviel ab, und sie wechseln die ganze Zeit… Wie ist die Lage in Persien?«
»In Persien, Heiligkeit?« Ich starrte ihn an. Er starrte zurück und lächelte. Ich zuckte die Achseln, was ihn zu amüsieren schien. »Der Große König hat erneut Anspruch auf Armenien erhoben, und es heißt, ein weiterer Krieg stünde bevor.«
Athanasios seufzte. »Das sagen sie schon seit Jahren. Ich glaube, sie werden noch einige Zeit lang schwätzen, bevor sie zu den Waffen greifen. Wie steht es mit der Donaufront?« Ich war verblüfft über sein Interesse an weit entlegenen Kriegen. »Dort ist alles friedlich, Heiligkeit. Ich habe jedoch gehört, es gäbe einen Krieg in Afrika.«
»Der Ärger, den der Augustus Valentinian hat, bedeutet keine Hilfe für uns. Der westliche Kaiser mischt sich nicht allzu viel in die Angelegenheiten der Kirche ein – ja, mein Nachfolger wird wahrscheinlich ins Westreich gehen müssen, um sicher zu sein. Aber wenn es hier im Osten Krieg gäbe, würde uns Valens vielleicht im Stich lassen. Nun ja, von den Barbaren können wir keine Hilfe erwarten; ich werde die Kirche kräftigen müssen, damit wir das Schlimmste überstehen. Charis, Tochter des Theodoros, ich hatte eigentlich nicht beabsichtigt, dich rufen zu lassen.«
»Hat Gott dir den Namen meines Vaters offenbart?« fragte ich ihn spöttisch und machte das Buch zu.
Er warf seinen Kopf zurück und lächelte erneut. »Ich habe es herausgefunden. Aber es bleibt ein Jammer. Ich hoffe, ich kann dir nach wie vor vertrauen.«
»Du kannst mir vertrauen, und außerdem weißt du schließlich, wer ich bin: Du hast etwas gegen mich in der Hand.«
»Ich fürchte, das stimmt nicht. Wenn ich der Welt enthüllen würde, daß du kein Eunuch bist, müßte ich ja auch enthüllen, daß ich gerade eben die Nacht ganz allein mit einer jungen Frau verbracht habe, und das würde mir eher noch größeren Schaden zufügen als dir.«
»Aber du hast immerhin eine schwere Lungenentzündung, und du bist alt!«
Er lachte, dann hustete er heftig. »Wenn ich scheinheilig genug wäre, zu behaupten, seit siebzig Jahren asketisch gelebt zu haben, dann wäre ich sicherlich auch scheinheilig genug, zu behaupten, eine Lungenentzündung zu haben. Ich bin schon früher einmal wegen Notzucht angeklagt und vor Gericht gestellt worden. Notzucht, Mord, Aufwiegelung, Kirchenschändung und Zauberei. Mach dir keine Sorgen, ich wurde freigesprochen. Und die Beschuldigungen waren falsch, außer derjenigen wegen Aufwiegelung.«
»Es ist kaum anzunehmen, daß ich dich der Notzucht beschuldigen werde«, sagte ich zu ihm. »Außerdem betrachte ich mich durch den Eid des Hippokrates gebunden. ›Wenn immer ich ein Haus betrete, werde ich den Kranken helfen und niemals die Absicht haben, ihnen zu schaden.‹ Wenn du fürchtest, mir nicht vertrauen zu können, warum hast du dann nach mir geschickt?«
»Das habe ich gar nicht. Einige aus meinem Gefolge wollten einen Arzt holen lassen, und mir fiel keiner ein, jedenfalls keiner, dem ich vertrauen konnte. Dann erinnerte sich Theophilos daran, daß ich mit dir gesprochen habe. Er fragte, ob ich dir vertrauen könne, und ich sagte ja, und so eilte er davon und holte dich. Und hier liege ich und
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