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Der Leuchtturm von Alexandria

Der Leuchtturm von Alexandria

Titel: Der Leuchtturm von Alexandria Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gillian Bradshaw
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Gesundheit?«
    Einen Augenblick lang war ich verwirrt und wußte keine Antwort. Ich merkte, daß Adamantios die Stirn runzelte.
    »Hippokrates schreibt, daß die Sonnenwende, das Aufsteigen des Sirius, des Arkturus und der Plejaden am Himmel kritische Zeiten für die Gesundheit sind«, sagte ich schließlich. »Doch abgesehen davon können sich die medizinischen Autoren nicht einig darüber werden, welche Sterne einen guten Einfluß ausüben und welche nicht.«
    »Genauso hätte auch Hippokrates geantwortet!« rief einer meiner Kommilitonen, und alle übrigen lachten schallend los. Adamantios lächelte. Der Philosoph fand das jedoch gar nicht komisch. Er warf mir einen finsteren Blick zu und zitierte Aratus und die anderen astrologischen Schriftsteller. Adamantios gebot ihm Einhalt. »Das sind keine medizinischen Schriftsteller, vorzüglicher Theon. Ihre Autorität in bezug auf medizinische Fragen muß als nicht gesichert angesehen werden, und du kannst nicht erwarten, daß der höchst geschätzte Chariton sie gelesen hat!«
    Theon gab sich zufrieden, bedachte mich allerdings mit dem selbstgefälligen Blick eines Mannes, der seinen Stich gemacht hat. »Meine Tochter ist – obwohl sie eine Frau ist – auf diesem Gebiet ebenso belesen wie in den Werken Plotins«, verkündete er.
    »Ich sehe nicht ein, warum wir das nicht auch von diesem christlichen Arzt erwarten sollten.«
    »Vortrefflicher Herr«, sagte ich, »ich zolle der Bildung deiner Tochter Beifall und wünsche ihr viel Erfolg bei ihren philosophischen Bemühungen, aber ich bezweifle, daß sie Krateuas gelesen hat, und deshalb sehe ich nicht ein, warum ich Aratus und Plotin gelesen haben sollte.«
    Daraufhin klatschten einige der übrigen Anhänger des Hippokrates Beifall. Adamantios lächelte erneut, dann hüstelte er und wechselte mit seinen Kollegen im Ausschuß einen schnellen Blick. Sie nickten und ich wurde als Arzt der medizinischen Fakultät des Museums von Alexandria bestätigt. Mir wurde überdies bescheinigt, auf allen medizinischen Gebieten wohl bewandert zu sein. Dann wurde ich – da ich mich vorher dazu bereit erklärt hatte – dazu aufgefordert, den Eid des Hippokrates zu schwören. Nicht jeder Arzt ist dazu bereit; die Bestimmungen sind sehr streng. Aber ich hatte ihn seit Jahren zu meiner Richtschnur gemacht und hätte seine Bestimmungen auch dann befolgt, wenn mich nicht ein ganzer Raum voller Zeugen für alle Zukunft daran gebunden hätte. Theon grinste hämisch, als ich statt bei Apollo und Äskulap im Namen »der heiligen und ehrwürdigen Dreifaltigkeit« schwor. Doch sonst war es der gleiche Eid. Seit sieben Jahrhunderten hatten Ärzte ihn geschworen. Jetzt versprach auch ich, meinen Lehrmeister in der Heilkunst genau wie meinen eigenen Vater in Ehren zu halten; den Kranken zu helfen und niemandem Schaden zuzufügen; keine Arzneimittel zu verabreichen, die Tod oder Abtreibung verursachen; in meinem privaten und beruflichen Leben tugendhaft und fromm zu sein; niemals eine Operation durchzuführen, um aus einem Mann einen Eunuchen zu machen (bei diesem Schwur ging ein Raunen durch die Zuhörerschaft); meine Stellung nicht dazu zu benutzen, sexuelle Vorteile zu erlangen (erneutes Raunen); Dinge geheimzuhalten, von denen ich wußte, daß sie nicht ausgeplaudert werden sollten. »Wenn ich diesen Eid halte und ihn nicht verletze, möge ich in meinem Leben und in meinem Beruf Erfolg haben«, schloß ich. »Wenn ich mich dagegen versündige und eidbrüchig werde, möge mein Schicksal anders verlaufen.«
    Adamantios erhob sich, kam um den Tisch herum und schüttelte mir die Hand. »Ich bin sicher, daß du Erfolg haben wirst« , sagte er und lächelte, dann trat er auf Philon zu und unterhielt sich mit ihm. Es war vorbei. Die übrigen Prüfer kamen und gratulierten mir. Sie freuten sich so, als hätten sie mich niemals abgewiesen, als ich damals an ihrer Tür geklopft hatte. Danach kamen meine Kommilitonen und schüttelten mir die Hand, schlugen mir auf die Schulter, gratulierten mir und luden mich zum Wein ein. Ich bot ihnen meinerseits Wein an, und so wanderten wir alle miteinander lärmend den Hügel hinunter zur Taverne, wo ich eine beträchtliche Summe für Wein ausgab. Als die Gesellschaft ein wenig rüpelhaft zu werden begann, schlüpfte ich mit Theogenes zusammen hinaus, und wir gingen zu Philon und seiner Familie. Rüpelhafte Gesellschaften mochte ich nicht. Man behauptet immer: »Im Wein liegt die Wahrheit«, doch die Wahrheit sollten

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