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Der Leuchtturm von Alexandria

Der Leuchtturm von Alexandria

Titel: Der Leuchtturm von Alexandria Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gillian Bradshaw
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über diese Bemerkung und bekam einen erneuten Hustenanfall. Dann schickte er mich aus dem Zimmer.
    Sie schienen eine lange Zeit ungestört miteinander zu beten. Ich setzte mich zu den anderen draußen auf dem Flur, und sie fragten mich, wie lange der Erzbischof meiner Ansicht nach noch leben würde. »Jahrelang, falls er vernünftig ist und sich schont«, erwiderte ich gereizt. »Andernfalls nicht lange.«
    Sie begannen wieder mit ihren vielfältigen Gebeten für seine Gesundheit und unterhielten sich flüsternd, was sie tun sollten, wenn er stürbe und die kaiserlichen Truppen einmarschierten. Ich war sehr müde und saß da, den Kopf auf die Knie gestützt, und versuchte, die in diesem oder jenem Fall richtige Dosis von geflecktem Schierling und Fingerhut zu berechnen.
    Nach etwa einer Stunde erschienen Petrus und Theophilos auf der Türschwelle und riefen die gesamte Menge herein. Nacheinander marschierte sie im Gänsemarsch in das Zimmer. Schließlich war es so überfüllt, daß es schwierig wurde zu atmen, und immer noch standen einige Leute draußen im Flur. Athanasios hatte sich in seinem Bett aufgerichtet, sah fiebrig, aber innerlich ruhig aus. Er segnete die Menge. »Geliebte Brüder«, sagte er mit seiner klaren, kräftigen Stimme, die ich schon kannte (ich weiß nicht, wie er es schaffte, trotz der Infektion seiner Lungen so laut und deutlich zu sprechen).
    »Seid nicht beunruhigt. Gott hat mich von der ›Pestilenz, die in der Dunkelheit wandelt‹ erlöst, aber auch von der ›Zerstörung, die ihre Verheerungen am hellichten Tag anrichtete. Und ich vertraue darauf, daß die göttliche Macht uns alle schützen wird. Doch ich bin müde und benötige ein wenig Ruhe, um mich zu erholen. Deshalb beauftrage ich Petrus und Theophilos, während meiner Genesung für euch zu sorgen und meine Aufgaben zu übernehmen.« Er hätte noch weitergesprochen, doch seine Lungen ließen es nicht zu: Er hatte einen erneuten Hustenanfall. Daraufhin gab es ein beträchtliches Durcheinander – Gebete und Psalmengesänge und dringende Fragen der Dekane –, doch diesmal bemühten sich Petrus und Theophilos, der Sache Herr zu werden, und halfen mir, die Menge aus dem Zimmer zu drängen. Danach willigte der Erzbischof ein, sich auszuruhen.

9
    Ich blieb eine Woche lang im bischöflichen Palast und fühlte mich die ganze Zeit über ein wenig verloren, hin und her gerissen zwischen der draußen auf der Straße singenden Menschenmenge und den Kirchenbeamten, die mich um Rat fragten; zwischen seiner Heiligkeit, dem ich etwas über die Lage in der Stadt erzählen sollte, und den kaiserlichen Beamten, die mich zur Seite zogen und mir Bestechungsgelder dafür anboten, daß ich ihnen verriet, was die Kirchenbeamten gesagt hatten. Ich gewöhnte mich daran, vor den Eingang des Palastes zu treten und jedem, der es hören wollte, Informationen über den Gesundheitszustand seiner Heiligkeit zu geben. Ich eignete mir ein paar Schliche an, die Beamten abzulenken, doch ich spürte, daß ich dabei nicht sehr sicher wirkte. Außerdem war Athanasios ein schwieriger Patient, der dauernd versuchte, zuviel zu tun, und der übellaunig wurde, wenn sein Körper ihn im Stich ließ. Zudem konnte ich mich kaum einmal zurückziehen – der Palast war offensichtlich hoffnungslos übervölkert, und niemand hatte ein Zimmer für sich allein. Ich hielt mich dauernd in der Nähe meines Patienten auf, und es gab keinen Ort, wo ich mich in Ruhe waschen konnte. Ich machte mir Sorgen darüber, daß meine Regel beginnen könne. Bei Philon gab es keine Probleme, diese Beschwerlichkeit zu verheimlichen: Daß ein Arzt in einer Ecke ein paar blutbefleckte Tücher einweicht, verursachte dort keinerlei Aufsehen. Doch ich hatte mich geweigert, Athanasios zur Ader zu lassen, und alles, was ich unternahm, erregte endlose besorgte Diskussionen, so daß ich die Blutflecken niemals hätte verheimlichen können.
    Der Erzbischof war ein kräftiger Mann, und er hatte sich dazu entschlossen, noch ein wenig länger am Leben zu bleiben – zumindest bis er die Angelegenheiten der Kirche geregelt haben würde. Er erholte sich langsam, aber sicher, und nach Ablauf einer Woche war sogar ich der Ansicht, es bestehe keine Gefahr mehr für einen Rückfall. Trotzdem empfahl ich ihm, er solle die Stadt für ein paar Wochen verlassen und sich auf das Land zurückziehen, wo ihm mehr Ruhe gegönnt sein würde. Er seufzte und schüttelte den Kopf: nein.
    »Ich würde gerne nach Nitria gehen«,

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