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Der Leuchtturm von Alexandria

Der Leuchtturm von Alexandria

Titel: Der Leuchtturm von Alexandria Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gillian Bradshaw
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Neigungen anbetraf, fühlte ich mich inzwischen durchaus zu den Nizäern hingezogen. Ich war von Athanasios’ Buch hinreichend beeindruckt, um in diesem Punkt mit ihm überein zu stimmen. Doch das Thema interessierte mich im Grunde genommen nicht so sehr. Dennoch war ich unseren Erhabenen Majestäten wohl nicht wirklich treu ergeben. Zwar gefiel mir der Gedanke auch nicht, daß römische Truppen durch die Perser gefährdet waren, aber der überall spürbaren Willkürherrschaft, der allgegenwärtigen kaiserlichen Tyrannei, vor der es keine Berufung gibt und die nur durch Gewalt herrscht und ihre Verordnungen unter Androhung von Folter und Tod durchsetzt – dieser Macht gegenüber verspürte ich keinerlei Zuneigung. Ich war der Ansicht, es müsse der Kirche erlaubt sein, ihre eigenen Geschicke zu bestimmen, sich ihre eigene theologische Glaubensrichtung zu wählen, sich ihre eigenen Bischöfe auszusuchen und sie sich nicht von Konstantinopel aufzwingen zu lassen. Abgesehen von der Kirche gab es in der ganzen Welt keine Macht, die sich den beiden Kaisern entgegenstellen konnte. Abgesehen von Athanasios gab es keinen Menschen, dem es je gelungen wäre, als ein Gleichgestellter gegen sie anzutreten , ohne den Purpur für sich selbst zu beanspruchen. Das war auch der eigentliche Grund dafür, warum sämtliche Ägypter und nicht nur die Christen den Erzbischof unterstützten. Und deshalb würde auch ich ihn unterstützen.
    Aber all dies konnte ich Athanaric kaum sagen. »Du solltest dich noch ein paar Tage lang ausruhen«, forderte ich ihn auf.
    »Und deine klare Brühe trinken. Ich komme dich morgen besuchen.«
    Er fluchte erneut auf lateinisch. »Warum muß der einzige rechtschaffene Eunuch der Welt«, klagte er, als ich das Zimmer verließ, »ausgerechnet dem Erzbischof dienen?«
    »Du hast wohl kaum alle Eunuchen der Welt kennengelernt«, erwiderte ich und sah mich noch einmal nach ihm um. »Woher willst du wissen, daß die übrigen nicht ebenfalls rechtschaffen sind?«

11
    Zwei Tage später wachte ich auf und fühlte mich unwohl und fiebrig. Es war ein feuchter, frostiger Tag Ende Dezember, und morgens war mir sonst oft kalt. Aber diesmal hatte ich das Bettzeug heruntergeworfen und lag schwitzend da.
    Ich mußte unbedingt Patientenbesuche machen, fünf Leute, denen es sehr schlecht ging, und ich mußte auch zu einem Dutzend Genesender. Aber als ich aufstand, merkte ich, daß mir die Gelenke weh taten und mein Magen rumorte. Ich war offensichtlich nicht in der Lage, den ganzen Tag lang zu arbeiten. Darüber hinaus wäre es unverantwortlich von mir gewesen, meine Besuche zu machen und die Patienten der Gefahr einer Ansteckung auszusetzen. In ihrem geschwächten Zustand könnte dies schlimme Folgen haben. Ich gab Agata , einer der Nonnen, ein paar Drachmen, und bat sie, bei den Patienten vorbeizugehen und auszurichten, ich sei krank. Ich gab ihr für jeden einzelnen ein paar Behandlungsanweisungen mit und bereitete einige Heilkräuter zu. Außerdem nannte ich die Namen einiger anderer Ärzte, falls der eine oder andere eine persönliche Betreuung benötigte. Dann ging ich wieder zu Bett. Amundora kam herauf und brachte mir etwas frisches Kümmelbrot und heißen Wein mit Honig - beides Leckerbissen, die sie extra für mich gekauft haben mußte, da sie selbst niemals etwas dergleichen aß oder trank. Aber ich fühlte mich inzwischen sehr elend und konnte nicht einmal den Geruch dieser Dinge ertragen. Ich dankte ihr, sagte ihr jedoch, alles, was ich brauchte, sei Ruhe. Sie blieb zögernd auf der Türschwelle stehen. »He, du siehst wirklich krank aus! Nun schön, ich bin den ganzen Tag über zu Hause; ruf einfach, wenn du etwas brauchst.«
    Ich nickte. Als sie draußen war, erbrach ich mich in das Nachtgeschirr.
    Ich war noch nie in meinem Leben schwerkrank gewesen. Natürlich hatte ich diese oder jene Erkältung gehabt und ein paarmal Andertagsfieber, aber nicht so etwas wie jetzt. Ich fühlte mich wie aus dem Wasser gezogen, und bis zum späten Nachmittag war ich total erschöpft. Es war eigentlich das gleiche Fieber wie bei Athanaric, obwohl man unmöglich sagen konnte, ob ich mich bei ihm oder bei einem meiner anderen Patienten angesteckt hatte. Nachdem ich mich erbrochen hatte, machte ich mir einen Schwamm mit etwas Opium und Honigwasser zurecht und saugte daran, in der Hoffnung, ein wenig schlafen zu können und die Krämpfe zu lindern. Aber ich hatte nicht den Eindruck, daß es viel half. Ich konnte auch sonst

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