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Der Leuchtturm von Alexandria

Der Leuchtturm von Alexandria

Titel: Der Leuchtturm von Alexandria Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gillian Bradshaw
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das Baby – und ich hatte noch nicht einmal ein einziges Kapitel von Hippokrates gelesen. Und ich rannte aus Tiberias fort und ging wieder nach Alexandria. Mein Vater war wütend. Er weigerte sich, mich zu unterstützen, falls ich nicht nach Tiberias zurückkehrte. So also verließ ich mein Zuhause. Mein Schwiegervater verlangte von Deborah, sich von mir scheiden zu lassen und einen anderen zu heiraten, doch sie wollte bei mir bleiben, der Herr segne sie. Damals lehrte ein jüdischer Arzt am Museum, ein Mann namens Themistion. Adamantios war ebenfalls sein Schüler. Ich ging zu ihm und bat ihn, mich die Heilkunst zu lehren. Er wollte nicht – ich kannte nur die Thora, und er war wie Adamantios: ein gebildeter Mann und ein Platoniker. Er meinte, es sei besser, wenn ich meinem Vater gehorchte. Zum Schluß bot ich ihm an, sein Diener zu sein und jede Arbeit für ihn zu übernehmen, wenn er mich nur die Heilkunst lehrte. Er sah, wie verzweifelt ich war, und willigte ein. Und ich willigte ein, dich zu nehmen, weil ich die gleiche Leidenschaft in dir erkennen konnte. Wenn ich gewußt hätte, daß du eine Frau bist, hätte ich das bezweifelt. Ich hätte dir geraten, zu deiner Familie zurückzukehren. Aber das wäre falsch gewesen, denn wir ähneln uns. Beim heiligen Namen, mein Mädchen, weine nicht! Möchtest du noch etwas klare Brühe?«
    Wie Philon richtig vorausgesagt hatte, erholte ich mich rasch. Am nächsten Tag war ich wieder auf den Beinen, wenn auch etwas zittrig, aber Philon befahl mir energisch, mich nicht anzustrengen, und so blieb ich zu Hause und las die Abhandlung des Dioskurides über Arzneimittel. Einer der Sklaven des Erzbischofs kam aus dem Palast, um sich zu erkundigen, wie es mir ginge, und kehrte beruhigt zurück. (Ich erfuhr später, daß Athanasios ursprünglich selbst hatte kommen wollen, Theophilos es ihm aber ausgeredet hatte.)
    Am nächsten Morgen klopfte es erneut, und hereinstolziert kam Athanaric. »Sei gegrüßt, Euer Gnaden«, sagte er – eine Anspielung auf meinen Namen, die viel besser war, als er ahnte, da Charis und nicht Chariton »Gnade« heißt. »Ich dachte, ich schaue einmal nach und sehe, wie du dich von dem kleinen Geschenk, das ich dir verpaßt habe, erholst. Die Geschichte tut mir leid.«
    »Ich habe auch noch andere Patienten außer dir«, widersprach ich ihm. »Ich hätte mir das Fieber überall aufgabeln können. Möchte Eure Vortrefflichkeit sich setzen? Es tut mir leid, daß ich für Besucher nicht recht vorbereitet bin.«
    »Mach dir keine Umstände«, erwiderte er und setzte sich an das Schreibpult. »Gütiger Gott, hast du eine Menge Bücher!«
    Das hatte ich damals tatsächlich. Was Bücher anbetrifft, so ist Alexandria eine großartige Stadt. Papyrus ist billig in Ägypten, und Schreiber können ein Vermögen damit verdienen, wenn sie Werke kopieren und sie der Bibliothek verkaufen. Zu meinen beiden Büchern von Hippokrates und Galen hatte ich die Werke von Herophilos und Erasistratos, Dioskurides und Celsus, Krateuas, Nikandros und Oribasios – von all den medizinischen Größen – hinzugekauft. Mein Bücherschrank war voll, und mein Schreibpult quoll über.
    »Ich sehe, daß du in bezug auf deine Geldausgaben tatsächlich einen gewissenhaften Bericht abgeliefert hast«, fuhr er fort.
    »Bücher. Ganz gewiß nicht Kleidung oder Wohnung oder Luxusartikel. Würde es nicht trotzdem ganz natürlich sein, eine größere Wohnung zu haben, und vielleicht auch einen Sklaven, um alles in Ordnung zu halten?«
    Ich betrachtete ihn aufmerksam. Ein erneuter Versuch, mich zu bestechen? »Ich mag die Scherereien nicht, die all das mit sich bringt«, entgegnete ich. »So wie es jetzt ist, habe ich die Freiheit, mich auf die Dinge zu konzentrieren, die mich interessieren.«
    »Die Freiheit des vollkommenen Philosophen. Und wer bin ich, dies in Frage zu stellen? Chariton, hast du dich jemals gefragt, wohin dich dein Erzbischof führt?«
    »Natürlich, oft.« Aber ich wollte nicht mit Athanaric darüber diskutieren. »Seine Heiligkeit Bischof Athanasios ist mein Patient«, erwiderte ich. »Es ist meine Aufgabe, mich um seine Gesundheit zu kümmern. Wie er seine eigene Aufgabe anpackt, geht mich nichts an.«
    »Auch nicht, wenn du dabei drauf gehen könntest? Er hat sich dem Kaiser entgegengestellt. Er hat sich inzwischen bereits vier Kaisern entgegengestellt. Einem nach dem anderen. Seine Erhabene Majestät duldet ihn im Augenblick um des lieben Friedens in der Stadt willen, aber

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