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Der Leuchtturm von Alexandria

Der Leuchtturm von Alexandria

Titel: Der Leuchtturm von Alexandria Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gillian Bradshaw
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erwachte, war die schreckliche Übelkeit verschwunden, und ich war furchtbar durstig. Ich versuchte, mich aufzurichten. Eine Hand stützte mir den Kopf, und jemand führte einen Becher an meine Lippen. Er enthielt eine Mischung aus Honigwasser und Salz, die nach Narde und nach etwas Bitterem roch – wahrscheinlich gefleckter Schierling, dachte ich. Ich nahm ein paar Schlucke, dann blickte ich auf, um zu sehen, wer mir das Getränk einflößte. Philon.
    »Trink aus«, befahl er. Ich tat es, und er stellte den Becher wieder hin. »Wie fühlst du dich jetzt?« fragte er.
    »Sehr viel besser«, erwiderte ich. Meine Stimme klang mir selbst fremd: nichts als ein schwaches Flüstern. Ich hatte es schon bei anderen gehört und daraus auf den schwachen Zustand des Genesenden geschlossen. Es war eigenartig, dieses Flüstern nun bei mir selbst wiederzuerkennen. »Müde. Du… hast du…«
    »Ob ich herausgefunden habe, daß du eine Frau bist? Das war wohl schwerlich zu vermeiden, nicht wahr? Ich habe mich noch nie in meinem Leben derart als Narr gefühlt. Mein eigener Assistent, der mehr als zwei Jahre lang in meinem eigenen Haus gewohnt hat, und ich habe ihm geglaubt, daß er ein Eunuch ist, obwohl es doch ganz klar auf der Hand hätte liegen müssen, daß er nichts dergleichen ist. Daß sie nichts dergleichen ist. Bleib liegen! Das ist ein scheußliches Fieber, was du da hast. Du mußt erst wieder zu Kräften kommen.«
    Ich lag ganz still da. »Es tut mir leid«, sagte ich und versuchte, nicht zu weinen. »Hast du… wem hast du es erzählt?«
    Er schnaubte verächtlich und tätschelte mir beruhigend den Arm. »Niemandem. Die Nonnen hier wissen nichts davon, und selbst Deborah gegenüber habe ich nicht die geringste Andeutung gemacht. Es fällt unter meinen Eid. Ist es das, was der Erzbischof entdeckt hat?«
    Ich nickte.
    »Ein alter Mann, ein Bischof, und er hat es sofort bemerkt! Und ich als ausgebildeter Arzt konnte es innerhalb von zwei Jahren nicht entdecken!«
    »Ich glaube, jeder der es überhaupt bemerkt, wird es sofort bemerken«, meinte ich. Ich hatte darüber nachgedacht. »Wenn man sich erst einmal an den Gedanken, wer ich bin, gewöhnt hat, fällt es einem um so schwerer, mich als jemand ganz anderen zu sehen.«
    Philon seufzte. »Ich habe mich noch nie in meinem Leben derart als Narr gefühlt«, wiederholte er. »Dann bist du wohl die Tochter des Theodoros von Ephesus, oder?«
    »Ja.«
    »Und ich habe gedacht… nun, jetzt ist’s ja egal.«
    »Ich weiß, was du ursprünglich gedacht hast. Ich habe gelauscht, als du eines Abends mit Deborah darüber gesprochen hast. Es tut mir so leid, Philon.«
    »Warum hast du das getan?«
    »Ich wollte die Heilkunst erlernen. Ich wäre wahrscheinlich nicht fortgerannt, wenn Vater mich nicht mit Festinus hätte verheiraten wollen. Aber als ich dann floh, mußte ich ganz einfach nach Alexandria kommen. Kannst du das verstehen?
    Ich weiß, es war unschicklich und unehrlich, aber solange ich denken kann, wollte ich hier studieren.«
    Philon lächelte ein eigenartiges Lächeln. »Im Grunde genommen kann ich es verstehen.« Er seufzte, dann fühlte er mir den Puls. »Du wirst wieder gesund werden«, sagte er zu mir. »Diese Krankheit ist ganz schrecklich, aber ich glaube, du bist bald wieder gesund.«
    »Einer meiner Patienten, der dieselbe Krankheit hatte, ist auch wieder gesund geworden«, erzählte ich ihm.
    »Aha, dann hast du solche Fieberfälle in deiner Praxis auch erlebt? Ich glaube, bisher hat keiner meiner Patienten dieses Fieber überlebt. Du mußt deinen Patienten sehr gut umsorgt haben.«
    »Er war ein kräftiger junger Mann.«
    »Und du bist eine kräftige junge Frau. Ich werde mich niemals daran gewöhnen. Ich hätte dich niemals aufgenommen, wenn ich es gewußt hätte. Reg dich nicht auf: Inzwischen könnte ich dir genausowenig raten, der Medizin den Rücken zu kehren, wie mir selbst. Weißt du, daß ich ebenfalls darum kämpfen mußte, studieren zu dürfen? Meine Eltern waren sehr fromm, und ich war dazu erzogen worden, die Thora zu studieren. Als ich in Alexandria fertig war, schickten sie mich nach Tiberias, um am Hof des Patriarchen zu studieren. Dort verbrachte ich ein Jahr und kämpfte mich durch die Gesetze des Moses, und dann wachte ich eines Morgens auf, und mir wurde klar, daß ich bereits zwanzig war und mich für diese ganzen mosaischen Gesetze nicht interessierte: Ich wollte die Heilkunst praktizieren. Damals war ich schon verheiratet, und wir hatten

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