Der Leuchtturmwärter: Kriminalroman (German Edition)
Lehrer nicht und wir auch nicht.«
»Wir dachten, das wären Süßigkeiten.«
»Stimmt, es sieht aus wie Brausepulver«, sagte sie. »Mir wäre wahrscheinlich derselbe Irrtum passiert.«
Gösta hatte sich wieder gesetzt. Paula wartete darauf, dass er eine Frage einflocht, aber anscheinend überließ er die Vernehmung ihr. Sie hatte nichts dagegen. Mit Kindern hatte sie schon immer gut umgehen können.
»Papa hat gesagt, das waren Drogen.« Jon blickte nicht auf.
»Ja. Weißt du, was das ist?«
»So etwas Ähnliches wie Gift, aber man stirbt nicht daran.«
»Man kann auch daran sterben, aber um Gift handelt es sich tatsächlich. Deshalb müsst ihr uns unbedingt helfen, herauszufinden, wo es herkommt, damit nicht noch mehr Menschen vergiftet werden.« Sie sprach ruhig und freundlich, und Jon entspannte sich allmählich.
»Seid ihr auch wirklich nicht sauer?« Er sah ihr in die Augen. Seine Unterlippe zitterte leicht.
»Ganz ehrlich. Ich schwöre es dir.« Sie hielt Zeige-und Mittelfinger in die Höhe und hoffte, dass die Geste nicht zu unangemessen wirkte. »Eure Eltern sind euch auch nicht böse. Sie machen sich nur Sorgen.«
»Wir waren gestern bei den Mietshäusern und haben dort an der Wand Tennis gespielt. Oder eher nebenan. Da gibt es eine Fabrik, glaube ich jedenfalls, mit hohen Mauern und ohne Fenster, die kaputtgehen könnten. Deshalb spielen wir da oft Ball. Als wir nach Hause wollten, haben wir noch die Papierkörbe vor den Mietshäusern nach Pfandflaschen abgesucht und dann diese Tüte gefunden. Wir dachten, es wären Süßigkeiten drin.« Nun löste sich ein dicker Wollfaden aus dem Gewebe.
»Warum habt ihr die Süßigkeiten nicht sofort probiert?«, fragte Gösta.
»Wir dachten, wie cool, dass wir so viel Pulver gefunden haben, und wollten es heute mit in die Schule nehmen und den anderen zeigen. Es ist doch viel spannender, es mit den anderen zusammen zu probieren, haben wir uns gesagt, aber natürlich wollten wir ihnen nur ein bisschen abgeben und das meiste für uns behalten.«
»Welcher Abfallkorb war das?«, fragte Paula. Sie wusste, von welchem Industriegebäude Jon gesprochen hatte, wollte aber ganz sichergehen.
»Der am Parkplatz. Wenn man von dem Gelände kommt, wo wir Ball gespielt haben, sieht man ihn sofort.«
»Rechts dahinter beginnt gleich der Wald?«
»Genau da.«
Paula sah Gösta an. Der Mülleimer, in dem die Jungen das Kokain gefunden hatten, lag direkt vor Mats Sverins Haustür.
»Vielen Dank, ihr wart eine große Hilfe.« Als sie aufstand, spürte sie ein leichtes Ziehen im Magen. Vielleicht war ihnen endlich der ersehnte Durchbruch geglückt.
Fjällbacka 1871
D ankbar ergriff der große und füllige Pastor Karls ausgestreckte Hand und ließ sich auf den Anlegesteg hinaufhelfen. Emelie knickste schüchtern. Sie hatte noch nie einen Gottesdienst im Ort besucht, und nun stand sie errötend da und hoffte, dass der Pastor ihr nicht unterstellte, es könnte ihr am Willen oder am Glauben mangeln.
»Es ist ja ziemlich einsam hier. Aber trotzdem schön«, sagte der Pastor. »Lebt hier nicht noch jemand?«
»Julian«, sagte Karl. »Er hat im Leuchtturm zu tun. Wenn Sie wollen, kann ich ihn holen.«
»Ich bitte darum.« Der Pastor ging bereits zum Haus. »Wenn ich mich schon einmal auf den Weg zu diesem Eiland gemacht habe, kann ich auch gleich die Bekanntschaft aller Bewohner machen.« Lachend hielt er Emelie die Tür auf, während Karl sich auf den Weg zum Leuchtturm machte.
»Sie haben ein sauberes und schönes Zuhause.« Der Pastor sah sich um.
»Unser bescheidenes Heim macht nicht viel her.« Emelie verbarg ihre Hände in der Schürze. Sie hatten unter der Putzerei und dem Scheuern der Fußböden gelitten, aber die anerkennenden Worte des Pastors taten ihr gut.
»Die einfachen Dinge sind nicht zu verachten. Soweit ich sehe, kann Karl sich glücklich schätzen, dass er eine so tüchtige Frau hat.« Er ließ sich auf der Küchenbank nieder.
Emelie wurde so verlegen, dass ihr keine Antwort einfiel, und setzte stattdessen Kaffee auf.
»Ich hoffe, Sie mögen einen Schluck Kaffee.« Sie überlegte, ob sie ihm noch etwas anbieten konnte. Außer dem einfachen Zwieback, den sie gebacken hatte, gab es nichts im Vorratsschrank, aber bei einem so unerwarteten Besuch würde das schon reichen.
»Zu einer Tasse Kaffee sage ich nie nein.« Der Pastor lächelte.
Emelie spürte, wie die Anspannung von ihr abfiel. Er schien kein Pastor der strengen Sorte zu sein wie Pastor Berg
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