Der Leuchtturmwärter: Kriminalroman (German Edition)
kratzte, und Patrik musste am Hemdkragen zerren, um wieder Luft zu bekommen. Er hatte das Gefühl zu ersticken.
Oben im Turm läuteten die Glocken, und der Klang hallte von den Wänden wider. Viele zuckten zusammen und warfen einen Blick auf den Sarg. Lena kam aus der Sakristei und ging auf den Altar zu. Vor einer gefühlten Ewigkeit, in einer vollkommen anderen Wirklichkeit hatte Lena sie in dieser Kirche getraut. Damals war die Stimmung heiter, gelöst und unbeschwert gewesen. Nun wirkte die Pastorin ernst. Patrik versuchte, ihren Gesichtsausdruck zu deuten. Fand sie es auch nicht richtig? Oder lebte sie in der Gewissheit, dass alles, was geschah, einen Sinn hatte?
Wieder kamen ihm die Tränen. Er wischte sie sich mit dem Handrücken ab. Erica steckte ihm unauffällig ein Taschentuch zu. Nachdem der letzte Orgelton verklungen war, herrschte einige Sekunden lang Stille. Erst dann ergriff Lena das Wort. Anfangs bebte ihre Stimme, doch mit der Zeit wurde sie fester.
»Das Leben kann sich von einem Augenblick auf den anderen verändern. Aber Gott ist mit uns. Auch heute.«
Patrik sah, wie sich ihr Mund bewegte, hörte ihr aber nicht mehr zu. Er wollte nicht wissen, was sie sagte. Das bisschen Kinderglaube, das ihn sein Leben lang begleitet hatte, war verschwunden. Das, was passiert war, hatte keinen Sinn. Erneut umklammerte er Ericas Hand.
»Ich habe die Ehre, Ihnen voller Stolz zu verkünden, dass wir unseren Zeitplan einhalten werden. In gut drei Wochen findet in Fjällbacka die feierliche Einweihung des Wellnesshotels Badis statt.«
Erling W. Larson plusterte sich auf und ließ den Blick über die Vorstandsmitglieder des Gemeinderats schweifen, als erwarte er Applaus, musste sich jedoch damit begnügen, dass der eine oder andere anerkennend nickte. Immerhin.
»Das ist ein triumphaler Augenblick für unseren Ort«, erklärte er. »Einerseits ist ein Gebäude, das man nur als Kleinod bezeichnen kann, von Grund auf renoviert worden, andererseits haben wir nun ein modernes und konkurrenzfähiges Gesundheitszentrum zu bieten. Oder besser gesagt ein Spa, wie man das heutzutage nennt.« Er deutete mit dem Zeigefinger Gänsefüßchen an. »Nun bleibt nur noch der Feinschliff, dann dürfen einige ausgewählte Gruppen die Anlage testen, und schließlich muss das glanzvolle Eröffnungsfest vorbereitet werden.«
»Schön. Ich habe nur noch ein paar Fragen.« Mats Sverin, der seit einigen Monaten für die kommunalen Finanzen zuständig war, wedelte mit seinem Kuli, um Erling auf sich aufmerksam zu machen.
Aber Erling schaltete auf stur. Ihm war alles zuwider, was mit Verwaltung und Buchhaltung zu tun hatte. Zügig erklärte er die Versammlung für beendet und zog sich in sein geräumiges Arbeitszimmer zurück.
Nach dem Misserfolg mit der Realityshow »Raus aus Tanum« hatte niemand geglaubt, dass er noch einmal auf die Beine kommen würde, aber nun stand er mit einem noch grandioseren Projekt da. Nicht einmal im Kreuzfeuer der Kritik hatte er an sich gezweifelt. Er war von Geburt an ein Gewinnertyp.
Natürlich war ihm das Ganze an die Nieren gegangen, und deshalb war er zur Erholung nach Dalarna auf den Gesundheitshof Licht gefahren. Das war ein Glücksgriff gewesen, denn sonst hätte er niemals Vivianne kennengelernt. Die Begegnung mit ihr war für ihn ein Wendepunkt gewesen, sowohl beruflich als auch privat. Sie hatte ihn bezaubert wie noch keine andere Frau, und nun verwirklichte er ihren Traum.
Er konnte der Versuchung nicht widerstehen, zum Hörer zu greifen und sie anzurufen. Es war bereits das vierte Mal an diesem Tag, aber beim Klang ihrer Stimme kribbelte es in seinem ganzen Körper. Mit angehaltenem Atem wartete er darauf, dass sie ans Telefon ging.
»Hallo, mein Liebling«, sagte er, nachdem sie sich gemeldet hatte. »Ich wollte mich nur erkundigen, wie es dir geht.«
»Erling«, antwortete sie in diesem besonderen Ton, bei dem er sich wie ein liebeskranker Jüngling vorkam. »Es geht mir noch genauso gut wie bei deinem letzten Anruf vor einer Stunde.«
»Fein.« Er grinste dämlich. »Ich wollte mich nur vergewissern, dass es dir gut geht.«
»Ich weiß, und dafür liebe ich dich. Aber wir haben vor der Einweihung noch viel zu erledigen, und du willst doch wohl nicht, dass ich bis spät in die Nacht arbeiten muss?«
»Auf keinen Fall, mein Schatz.«
Er beschloss, sie nun nicht mehr zu stören. Die Abende mit ihr waren ihm heilig.
»Sei schön fleißig, das bin ich hier auch.« Er schmatzte ein paar
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