Der Leuchtturmwärter: Kriminalroman (German Edition)
in ihrer alten Gemeinde. Allein bei dem Gedanken, mit Berg am selben Tisch sitzen zu müssen, bekam sie weiche Knie.
Die Tür wurde aufgerissen, und Karl trat ein. Kurz darauf folgte Julian mit einem wachsamen Ausdruck im Gesicht. Dem Blick des Pastors wich er aus.
»Das ist also Julian?« Der Pastor lächelte noch immer, aber Julian nickte nur und gab ihm kraftlos die Hand. Karl und Julian setzten sich, während Emelie den Tisch deckte.
»Jetzt, da sie sich in gesegnetem Zustand befindet, werden Sie doch hoffentlich dafür sorgen, dass Ihre Frau sich nicht überanstrengt? Sie hält hier ja wunderbar Ordnung. Sie müssen stolz auf sie sein.«
Zuerst gab Karl keine Antwort, aber dann sagte er: »Ja, Emelie ist tüchtig.«
»So, nun setzen Sie sich zu uns.« Der Pastor klopfte auf den Platz an seiner Seite.
Emelie befolgte seine Aufforderung, konnte den Blick aber nicht von dem schwarzen Mantel und dem weißen Kragen abwenden. Noch nie war sie einem Geistlichen derart nahe gekommen. Sich mit dem alten Berg bei einer Tasse Kaffee gemütlich zu unterhalten wäre undenkbar gewesen. Mit zitternden Händen schenkte sie den Kaffee ein. Zuletzt füllte sie die eigene Tasse.
»Erstaunlich, dass Sie die weite Fahrt auf sich genommen haben.« Karl stellte den Satz einfach in den Raum. Was wollte der Pastor eigentlich?
»Sie sind ja nicht besonders fleißige Gottesdienstbesucher.« Der Pastor schlürfte seinen Kaffee. Drei Stück Würfelzucker hatte er zu Emelies Befremden darin verrührt.
»Sie haben schon recht, aber wir haben auch nicht oft die Gelegenheit. Wir arbeiten nur zu zweit im Leuchtturm, und da bleibt wenig Zeit für andere Dinge.«
»Für Abelas Kneipe reicht die Zeit aber, wenn ich das richtig sehe.«
Karl wirkte plötzlich klein und unbeholfen. In diesem Moment konnte Emelie überhaupt nicht begreifen, warum sie solche Angst vor ihm hatte. Dann erinnerte sie sich an jenen Abend und legte sich schützend die Hand auf den dicken Bauch.
»Wir sind sicherlich nicht so oft in die Kirche gegangen, wie wir sollten.« Julian senkte den Kopf. Er hatte dem Pfarrer noch kein einziges Mal in die Augen gesehen. »Aber Emelie liest uns jeden Abend aus der Bibel vor. Dies ist also kein unchristliches Haus.«
Emelie sah ihn erschrocken an. Wagte er es etwa, dem Pastor ins Gesicht zu lügen? Die Bibel wurde hier zwar tatsächlich gelesen, aber sie setzte sich allein damit in eine Ecke, wenn ihr Zeit dazu blieb. Weder Julian noch Karl hatten das geringste Interesse an der Heiligen Schrift gezeigt, sondern sie einige Male sogar deshalb verhöhnt.
Der Pastor nickte jedoch. »Das höre ich gern. Vor allem an einem so kargen und abgelegenen Ort, der weit vom Gotteshaus entfernt ist, darf man nicht vergessen, von sich aus Trost und Rat in der Bibel zu suchen. Ich freue mich darüber. Und noch mehr würde es mich freuen, Sie etwas öfter in der Kirche zu sehen. Nicht zuletzt Sie, meine liebe Emelie.« Er tätschelte ihr Knie, was sie vor Schreck zusammenzucken ließ. Es machte sie ohnehin nervös, neben einem Pastor zu sitzen, doch dass er sie nun auch noch anfasste, war fast mehr, als sie verkraften konnte. Sie musste sich zusammenreißen, um nicht entsetzt aufzuspringen.
»Ich habe übrigens auch mit Ihrer Tante gesprochen. Sie war etwas besorgt, weil Sie schon so lange nicht mehr zu Besuch gekommen sind. Da Emelie jetzt schwanger ist, wäre es vielleicht gut, wenn ein Arzt sie sich ansehen und sich vergewissern würde, dass alles in Ordnung ist.« Er sah streng in Karls Richtung, der seinem Blick ebenfalls auswich.
»Sicher«, murmelte er und starrte die Tischplatte an.
»Gut, dann wäre das entschieden. Wenn Sie das nächste Mal nach Fjällbacka fahren, nehmen Sie die kleine Emelie mit, damit der Doktor sie untersuchen kann. Ihre Tante würde sich wohl auch freuen, wenn sie käme.« Er kniff ein Auge zusammen und griff nach einem Zwieback. »Köstlich«, sagte er kauend, und die Krümel verteilten sich auf dem Tisch.
»Danke.« Emelie bedankte sich nicht nur für das Kompliment. Sie würde wieder in den Ort kommen und andere Leute sehen. Vielleicht würde Karl ihr von nun an auch erlauben, hin und wieder in die Kirche zu gehen. Es würde ihr Leben so viel leichter machen.
»Nun, ich denke, Karlsson hat es langsam satt, auf mich zu warten. Er war so freundlich, mich hierherzubringen, will aber bestimmt bald nach Hause. Vielen Dank für den Kaffee und den guten Zwieback.« Der Pastor erhob sich, und Emelie stand
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