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Der Leuchtturmwärter: Kriminalroman (German Edition)

Der Leuchtturmwärter: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Der Leuchtturmwärter: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Camilla Läckberg
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einem seltsam andächtigen Gefühl in die Küche.
    Anna saß am Tisch. Da sie nicht die ganze Zeit bettlägerig gewesen war, hatte Erica sie bereits so erlebt. Aber seit dem Unfall hatte Anna geistig abwesend gewirkt. Das war nun anders.
    »Ich habe deine Nachricht gehört.« Erica setzte sich Anna gegenüber.
    Dan schenkte beiden einen Becher Kaffee ein und zog sich dann diskret zu den Kindern ins Wohnzimmer zurück, damit sich die Schwestern in Ruhe unterhalten konnten.
    Mit zitternden Fingern führte Anna ihre Tasse zum Mund. Sie wirkte durchsichtig. Zerbrechlich. Aber ihr Blick war fest.
    »Ich hatte solche Angst.« Erica kamen die Tränen.
    »Ich weiß. Ich hatte auch Angst. Vor der Rückkehr.«
    »Warum denn? Ich meine, ich verstehe das natürlich, ich weiß ja …« Krampfhaft suchte sie nach der passenden Formulierung. Wie sollte sie Annas Trauer in Worte fassen, wenn sie selbst in Wirklichkeit gar nichts wusste oder gar verstand?
    »Es war dunkel, und es tat weniger weh, im Dunkeln zu bleiben, als hier draußen bei euch zu sein.«
    »Aber jetzt«, Ericas Stimme bebte, »jetzt bist du da?«
    Anna nickte vorsichtig und trank noch einen Schluck Kaffee.
    »Wo sind die Zwillinge?«
    Erica wusste nicht, was sie darauf erwidern sollte, aber Anna schien auch so zu wissen, was sie meinte.
    »Ich möchte sie unbedingt kennenlernen. Mit wem haben sie Ähnlichkeit? Sehen sie sich ähnlich?«
    Erica sah sie prüfend an. Wie würde Anna reagieren?
    »Interessanterweise sind sie sich nicht besonders ähnlich. Nicht einmal in der Art. Noel ist lauter. Man weiß genau, wann er etwas will, er ist unheimlich starrsinnig. Anton ist das genaue Gegenteil. Ihn bringt nichts aus der Ruhe, und meistens findet er das Leben prima. Er wirkt irgendwie zufrieden. Aber ich habe keine Ahnung, wem sie ähneln.«
    Anna grinste breit. »Willst du mich auf den Arm nehmen? Im Grunde hast du gerade eine präzise Beschreibung von dir und Patrik abgegeben. Und du bist nicht diejenige, die zufrieden in sich ruht, wenn ich das so sagen darf.«
    »Nein, aber …«, begann Erica, sah jedoch ein, dass Anna recht hatte. Sie hatte sich und Patrik beschrieben. Allerdings wusste sie, dass er bei der Arbeit manchmal nicht ganz so ausgeglichen wie zu Hause war.
    »Ich würde sie gern sehen«, sagte Anna noch einmal und sah Erica dabei in die Augen. »Es gibt da keinen Zusammenhang, das weißt du. Eure Jungs haben nicht auf Kosten von meinem überlebt.«
    Nun konnte Erica die Tränen nicht länger zurückhalten. Das Schuldgefühl, das sie in den vergangenen Monaten mit sich herumgeschleppt hatte, löste sich auf. Dennoch bezweifelte sie noch immer, ob Anna die Wahrheit gesagt hatte. Es würde Zeit brauchen, bis sie sich ganz sicher war.
    »Wenn du willst, komme ich mit ihnen vorbei. Sobald du die Nerven dafür hast.«
    »Kannst du sie nicht sofort holen, falls es nicht zu viele Umstände macht?«, fragte Anna. Ihre Wangen hatten nun etwas mehr Farbe.
    »Ich könnte Kristina anrufen und sie fragen, ob sie die beiden herbringt.«
    Anna nickte, und wenige Minuten später hatte Erica den Besuch der Schwiegermutter organisiert.
    »Es ist immer noch nicht leicht«, sagte Anna. »An den äußeren Rändern lauert die Dunkelheit.«
    »Jetzt bist du jedenfalls hier.« Erica streichelte ihre Hand. »Ich war bei dir, als du da oben gelegen hast. Es war unheimlich. Als ob du das gar nicht gewesen wärst, sondern nur deine Hülle.«
    »So war es wahrscheinlich auch. Ich gerate beinahe in Panik, wenn ich jetzt das Gefühl habe, dass es in gewisser Weise noch nicht anders ist. Ich fühle mich wie eine leere Hülle und weiß nicht, wie ich wieder ein erfüllter Mensch werden soll. Es ist alles leer. Hier.« Sie legte sich die Hand auf den Bauch und strich sanft darüber.
    »Hast du Erinnerungen an das Begräbnis?«
    »Nein.« Anna schüttelte den Kopf. »Ich weiß noch, dass wir die Beerdigung für wichtig und notwendig hielten, aber an die Zeremonie kann ich mich nicht erinnern.«
    »Es war schön.« Erica stand auf und schenkte Kaffee nach.
    »Dan sagte, du hättest vorgeschlagen, dass ihr euch reihum zu mir legt.«
    »Na ja, das stimmt nicht ganz.« Erica setzte sich wieder und erzählte von Vivianne.
    »Grüß sie von mir und danke ihr. Ohne sie würde ich wahrscheinlich noch immer im Dunkeln liegen und hätte mich vielleicht noch tiefer darin verirrt. So weit, dass ich nicht wieder zurückgefunden hätte.«
    »Ich werde sie von dir grüßen.«
    Es klingelte an der Tür.

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