Der Leuchtturmwärter: Kriminalroman (German Edition)
gesagt«, Patrik räusperte sich, »wenn wir das richtig verstanden haben, wissen Sie mehr über die schwere Körperverletzung von Mats Sverin.«
»Das stimmt nicht«, sagte Folke.
»Es ist wichtig, dass Sie uns jetzt die Wahrheit sagen. Mats Sverin wurde ermordet.« Patrik verspürte eine kleinliche Genugtuung, als er die bestürzte Miene des Mannes sah.
»Das kann nicht sein.«
»Doch, leider stimmt es. Sollten Sie also mehr über die Misshandlung wissen, wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie uns das jetzt erzählen könnten.«
»Man will sich ja nicht einmischen. Schließlich weiß man nie, wozu solche Leute fähig sind.« Folke legte den Stock vor sich auf den Boden. Er faltete die Hände auf dem Schoß und wirkte plötzlich uralt und gebrechlich.
»Was meinen Sie mit ›solche Leute‹? Den Angaben von Mats zufolge hat sich eine Gruppe von Jugendlichen auf ihn gestürzt.«
»Jugendliche«, schnaubte Folke. »Jugendliche waren das ganz bestimmt nicht. Nein, das waren Leute, mit denen man sich besser nicht einlässt. Ich habe keine Ahnung, wie ein so netter Junge wie Mats in diese Kreise geraten konnte.«
»Wie meinen Sie das?« Patriks Respekt vor dem älteren Herrn wuchs.
»Solche Motorradmenschen.«
»Motorradmenschen?« Martin sah Patrik verblüfft an.
»Über die man sonst nur in der Zeitung liest. Hells Angels und Banditen und wie sie alle heißen.«
»Bandidos«, korrigierte ihn Patrik automatisch, während seine Gedanken zu rasen begannen. »Wenn ich Sie richtig verstanden habe, wurde er also nicht von Jugendlichen, sondern von einer Motorradgang zusammengeschlagen?«
»Das habe ich doch gesagt. Hören Sie schlecht?«
»Warum haben Sie der Polizei gegenüber gelogen und behauptet, Sie hätten nichts gesehen? Mir wurde gesagt, keiner der Nachbarn sei Zeuge des Vorfalls gewesen.« Patrik war frustriert. Hätte er das doch bloß von Anfang an gewusst.
»Man muss aufpassen, dass man sich nicht mit solchen Typen anlegt«, sagte Folke störrisch. »Ich hatte damit nichts zu tun, und man soll sich nicht in fremde Angelegenheiten einmischen.«
»Und deshalb haben Sie behauptet, Sie hätten nichts gesehen?« Patrik konnte seine Verachtung nicht verhehlen. Dies war eins der Dinge, die er am schwersten akzeptieren konnte: dass Menschen tatenlos zusahen und hinterher die Achseln zuckten, weil es angeblich nicht ihre Angelegenheit war.
»Man muss aufpassen, dass man sich nicht mit solchen Typen anlegt«, wiederholte Folke, sah ihnen aber nicht in die Augen.
»Ist Ihnen irgendetwas aufgefallen, das uns einen Hinweis darauf geben könnte, wer hinter dem Verbrechen steckt?«, fragte Martin.
»Sie hatten einen Adler auf dem Rücken. Einen großen gelben Adler.«
»Danke.« Martin gab ihm die Hand. Nach kurzem Zögern tat Patrik dasselbe.
Kurz darauf machten sie sich auf den Weg nach Uddevalla. Beide waren tief in Gedanken versunken.
Erica konnte nicht länger warten. Sie hatte Kristina angerufen, sobald sie sich wieder gefasst hatte, und als sie hörte, dass die Fahrertür zugeknallt wurde, schlüpfte sie in ihre Jacke, raste nach draußen und fuhr in den Falkeliden. Dort blieb sie eine Weile im Auto sitzen. Vielleicht sollte sie sich eine Weile fernhalten und die Schwester in Ruhe lassen. Annas kurze Nachricht verriet ja nicht alles. Möglicherweise hatte sie ihre Botschaft missverstanden.
Bei abgeschaltetem Motor klammerte sich Erica ans Lenkrad. Sie wollte nicht den Fehler machen, sich aufzudrängen. Anna hatte ihr hin und wieder vorgeworfen, sich rücksichtslos einzumischen. Oft hatte sie recht gehabt. Als sie klein waren, hatte Erica versucht, das auszugleichen, was sie für einen Mangel an Mutterliebe hielt. Nun wusste sie es besser, und Anna auch. Elsy hatte sie geliebt, war aber nicht fähig gewesen, es zu zeigen. Und Erica und Anna waren sich in den vergangenen Jahren nahegekommen, vor allem nach Lucas.
Doch nun war sie unsicher. Anna hatte schließlich ihre eigene Familie, Dan und die Kinder. Vielleicht wollten sie für sich sein. Plötzlich sah sie Anna hinter dem Küchenfenster. Sie huschte wie ein Geist vorbei, kehrte zurück und betrachtete Ericas Wagen. Dann hob sie die Hand und winkte sie herein.
Schwungvoll öffnete Erica die Autotür und lief die Treppe hinauf. Dan machte ihr auf, noch bevor sie geklingelt hatte.
»Komm rein«, sagte er, sein Gesicht spiegelte tausend verschiedene Empfindungen.
»Danke.« Vorsichtig trat sie über die Schwelle, hängte ihre Jacke auf und ging mit
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