Der Leuchtturmwärter: Kriminalroman (German Edition)
Kinder schliefen, und bis auf die leisen Stimmen aus dem Fernseher im Wohnzimmer war es vollkommen still. Sie drückte ihn auf einen Stuhl und schmierte ihm seine Lieblingsbrote. Patrik aß für sein Leben gern in heißen Kakao gestipptes Knäckebrot mit Butter, Käse und Kaviarpaste.
»Ich kann nichts essen«, sagte Patrik mit belegter Stimme.
»Du musst aber«, sagte sie mütterlich und fuhrwerkte am Herd herum.
»Dieser verdammte Mellberg. Er hat den Stein ins Rollen gebracht«, sagte er nach einer längeren Pause und wischte sich die Tränen mit dem Ärmel ab.
»Ich habe vorhin die Nachrichten gehört. War es Mellberg, der …?«
»Ja.«
»Diesmal hat er sich wirklich selbst übertroffen.« Erica rührte Kaba in die Milch und gab noch einen Löffel Zucker dazu.
»Als wir den Knall von unten hörten, wussten Gösta und ich sofort Bescheid. Er hatte gesagt, er müsse auf die Toilette, aber wir haben das nicht überprüft. Eigentlich hätten wir …« Die Worte blieben ihm im Hals stecken, und er musste sich erneut mit dem Ärmel übers Gesicht wischen.
»Hier.« Erica reichte ihm ein Stück Haushaltspapier.
Es tat ihr weh zu sehen, dass Patrik weinte. Oft kam das nicht vor. Nun wollte sie alles tun, um ihn wieder froh zu machen. Sie schmierte ihm zwei Knäckebrote und füllte den dampfenden Kakao in einen großen Becher.
»Bitte schön.« Entschieden stellte sie sein Abendessen vor ihn auf den Tisch.
Patrik wusste, dass es keinen Sinn hatte, seiner Frau zu widersprechen. Widerwillig tauchte er ein Knäckebrot so lange in den Kakao, bis es weich war, und schlürfte dann einen großen Bissen hinunter.
»Wie geht es Signe?« Erica setzte sich neben ihn.
»Um sie habe ich mir schon vorher Sorgen gemacht.« Patrik würgte einen weiteren Bissen hinunter. »Und jetzt … ich weiß nicht. Sie hat ein Beruhigungsmittel bekommen und liegt zur Beobachtung im Krankenhaus. Ich glaube aber nicht, dass sie jemals wieder die Alte sein wird. Sie hat doch alles verloren.« Wieder liefen ihm die Tränen übers Gesicht. Erica stand auf und holte ihm noch ein Stück Küchenpapier.
»Was wollt ihr jetzt machen?«
»Wir machen weiter. Morgen fahren Gösta und ich nach Göteborg, um einer Spur dort nachzugehen. Außerdem schickt Pedersen uns morgen die Obduktionsergebnisse. Wir müssen ganz normal arbeiten. Oder besser gesagt, noch härter.«
»Und die Zeitungen?«
»Wir können sie nicht davon abhalten, über den Vorfall zu berichten. Aber ich schwöre, dass aus unserer Dienststelle zum jetzigen Zeitpunkt niemand mit ihnen reden wird. Selbst Mellberg nicht. Falls doch, nehme ich Kontakt zur Polizeibehörde in Göteborg auf. Es gäbe da schließlich noch andere Dinge zu berichten.«
»Stimmt«, sagte Erica. »Möchtest du noch ein Weilchen aufbleiben, oder sollen wir ins Bett gehen?«
»Wir gehen ins Bett. Ich will neben dir liegen und mich an dich kuscheln. Geht das?« Er legte ihr den Arm um die Taille.
»Aber ja.«
Fjällbacka 1871
D ie ärztliche Untersuchung fand sie merkwürdig. Sie war im ganzen Leben noch nicht krank gewesen, und die Hände eines fremden Mannes auf ihrer Haut waren äußerst ungewohnt. Dagmars Anwesenheit hatte sie jedoch beruhigt. Anschließend hatte der Doktor ihr versichert, dass alles gut aussehe und Emelie höchstwahrscheinlich ein gesundes Kind zur Welt bringen würde.
Als sie die Praxis verließen, war sie glücklich.
»Glauben Sie, es wird ein Mädchen oder ein Junge?«, fragte Dagmar. Als sie einen Augenblick stehen blieben, um zu verschnaufen, legte sie Emelie liebevoll die Hand auf den Bauch.
»Ein Junge«, sagte Emelie. Davon war sie fest überzeugt. Sie konnte nicht erklären, woher sie wusste, dass da drinnen ein kleiner Junge so kräftig strampelte, aber es war so.
»Ein Junge. Ja, ich finde auch, dass Ihr Bauch danach aussieht.«
»Ich hoffe nur, dass er nicht …« Emelie hielt mitten im Satz inne.
»Dass er seinem Vater nicht ähnelt, wollten Sie sagen.«
»Ja«, flüsterte sie. Ihre Freude war wie weggeblasen. Allein bei dem Gedanken, sich zu Karl und Julian ins Boot setzen und zurück zur Insel fahren zu müssen, wollte sie weglaufen.
»Karl hat es nicht leicht gehabt. Sein Vater war sehr hart zu ihm.«
Emelie wollte fragen, was Dagmar damit meinte, traute sich aber nicht. Stattdessen begann sie zu weinen. Verschämt wischte sie sich mit dem Ärmel übers Gesicht. Dagmar sah sie ernst an.
»Der Termin beim Arzt war beunruhigend.«
Emelie war verwirrt.
»Es war
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