Der Leuchtturmwärter: Kriminalroman (German Edition)
gewesen. Der Pastor war noch einmal zu Besuch gekommen. Sie hatte das Gefühl, dass er nach dem Rechten sehen wollte. Er brauchte sich jedoch keine Sorgen zu machen. Die Einsamkeit, die ihr früher an die Nieren gegangen war, machte ihr nichts mehr aus. Sie hatte genug Gesellschaft und ihr Leben einen Sinn. Wer wollte sich anmaßen, mehr zu verlangen? Der Pastor war beruhigt nach Hause gefahren. Er hatte ihr entspanntes Gesicht und die abgegriffene Bibel gesehen, die aufgeschlagen auf dem Küchentisch lag. Er hatte Gustav die Wange getätschelt, ihm ein Karamellbonbon zugesteckt und gesagt, er sei ein prächtiger Junge. Emelie strahlte vor Stolz.
Karl dagegen ignorierte das Kind. Es war, als ob sein Sohn nicht existierte. Er war für immer aus dem Schlafzimmer ausgezogen und schlief inzwischen im Erdgeschoss. Julian musste sich mit der Küchenbank begnügen. Der Junge schreie zu viel, behauptete Karl, aber Emelie vermutete, dass er nur nach einer Entschuldigung gesucht hatte, um nicht das Ehebett mit ihr teilen zu müssen. Sie machte sich nichts daraus und schlief stattdessen in einem Bett mit Gustav, der nachts sein speckiges Ärmchen um ihren Hals legte und seine Lippen an ihre Wange schmiegte. Das war alles, was sie brauchte. Und Gott.
E s war ein schöner Abend bei Göran gewesen. Die längste Zeit ihres Lebens hatten Erica und Anna nichts von der Existenz ihres Bruders gewusst, aber er hatte schon bald ein enges Verhältnis zu seinen kleinen Schwestern aufgebaut. Patrik und Dan mochten ihren Schwager sehr. Seine Adoptivmutter Märta, die gestern mit ihnen zu Abend gegessen hatte, war eine wunderbare alte Frau und sofort in die erweiterte Großfamilie aufgenommen worden.
»Seid ihr so weit?«, fragte Ulf auf dem Parkplatz vor der Polizei.
Ohne die Antwort abzuwarten, stellte er ihnen seinen Kollegen Javier vor, der sogar noch ein Stück größer als Ulf war, aber viel besser in Form zu sein schien. Offenbar war er eher ein schweigsamer Typ, denn er schüttelte Gösta und Patrik wortlos die Hand.
»Fahrt ihr hinter uns her?«
Ächzend klemmte sich Ulf hinters Steuer eines zivilen Dienstfahrzeugs.
»Klar, fahrt nur nicht zu schnell. Ich kenne mich hier nicht richtig aus«, sagte Patrik. Gösta und er gingen zu ihrem Auto.
»Ich werde euch leiten wie ein Fahrlehrer«, rief Ulf lachend.
Sie durchquerten die Stadt und kamen allmählich in ein dünner besiedeltes Gebiet. Nach weiteren zwanzig Minuten gab es gar keine Bebauung mehr.
»Die reinste Einöde.« Gösta sah sich um. »Wohnen die im tiefsten Wald?«
»Eigentlich nicht verwunderlich, dass sie so abgeschieden leben. Sie treiben wohl Dinge, bei denen sie sich lieber nicht von wachsamen Nachbarn beobachten lassen.«
»Stimmt.«
Ulf bremste und blieb vor einem großen Gebäude stehen. Einige Hunde liefen bellend auf die Autos zu.
»Verdammt, solche Viecher mag ich überhaupt nicht.« Gösta starrte durch die Windschutzscheibe. Er zuckte zusammen, als eins der größeren Exemplare, genauer gesagt ein Rottweiler, ihn direkt von der Seite anbellte.
»Hunde, die bellen, beißen nicht.« Patrik schaltete den Motor ab.
»Dein Wort in Gottes Ohr.« Gösta machte keine Anstalten, seine Tür zu öffnen.
»Ach, jetzt komm.« Patrik stieg aus, erstarrte jedoch, als er sofort von drei Hunden mit gebleckten Zähnen umringt wurde.
»Rufen Sie die Hunde zurück«, brüllte Ulf, und nach wenigen Minuten erschien jemand an der Haustür.
»Warum sollte ich? Die machen nur ihre Arbeit. Sie halten mir ungebetene Gäste vom Hals.« Amüsiert verschränkte er die Arme vor der Brust.
»Regen Sie sich ab, Stefan. Wir wollen uns nur ein bisschen unterhalten. Jetzt rufen Sie endlich Ihre verdammten Hunde zurück!«
Lachend führte Stefan die Hand zum Mund, steckte Daumen und Zeigefinger hinein und pfiff. Die Hunde hörten sofort auf zu kläffen. Sie rannten zu ihrem Herrn und ließen sich neben seinen Füßen nieder.
»Sind Sie jetzt zufrieden?«
Patrik war gleich aufgefallen, dass der Anführer von IE unheimlich gut aussah. Wäre der eiskalte Ausdruck in seinen Augen nicht gewesen, hätte man ihn als elegant bezeichnen können. Aber auch seine Kleidung war das nicht: abgewetzte Jeans, fleckiges T-Shirt und schwarze Motorradweste. An den Füßen trug er Clogs.
Ringsherum tauchten allmählich noch weitere Männer auf. Alle hatten den gleichen konzentrierten und angsteinflößenden Blick.
»Was wollen Sie? Dies ist ein Privatgrundstück.« Stefan schien jede Regung
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